© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Grönemeyer: Eingeklemmt zwischen Politikerhatz und großem Sendungsbewußtsein
Gemenschel auf allen Bühnen
Frank Liebermann

Nicht nur an den vielen deutschen Universitäten dominiert inzwischen Mittelmaß, sondern auch in der Kunst herrschen Dilettantismus, Größenwahn und institutionalisierte Langeweile, subventioniert durch eine umfangreiche Verteilungsbürokratie.

Besonders deutlich ist das immer wieder zu spüren, wenn manche Künstler meinen, sich zu politischen und gesellschaftlichen Fragen äußern zu müssen. Während ausländische Gutmenschen wie Angelina Jolie wenigsten hübsch sind oder wie George Clooney gute Filme machen, haben wir uns mit traurigen Gestalten wie Herbert Grönemeyer abzufinden.

Dabei hat mit dem Betroffenheitsrocker alles so gut angefangen. 1956 wurde er in Göttingen geboren, das Abitur machte er 1975, dasselbe Jahr, in dem er Peter Zadek kennenlernte und sich als Schauspieler verdingte. Als "Leutnant Werner" im Film "Das Boot" hatte der junge Schauspieler einen ersten Durchbruch im Film. Dann konzentrierte er sich auf die Musik und sang sich während der Neuen Deutschen Welle mit Titeln wie "Currywurst", "Alkohol" und "Männer" in die Herzen der pubertierenden Jugend.

Während andere Bands verschwanden, blieb Grönemeyer aktiv. Irgendwann, vermutlich Mitte der neunziger Jahre, kam der Bruch. Grönemeyer wanderte nach London aus, wo er jetzt immer noch lebt und die Schallplatten folgten weiterhin im Jahresrhythmus. Das hätte auch weiterhin niemanden gestört, hätte der Sänger nicht angefangen, sich für die Politik zu interessieren.

Angeblich hat ja jedes Volk die Politiker, die es verdient. Stellt sich die Frage, ob das auch für Musiker gilt? Man denke nur einmal an die peinliche Hymne "Zeit, daß sich was dreht" zur letzten Fußball-WM. Im Gegensatz dazu war das freudige Gegröle von Oliver Pocher eine wahre Wohltat. Grönemeyer ist dafür bekannt, daß er immer zuerst seine Musik schreibt und dann die Texte dazu. Das hört sich meist auch so an. Stolz ist er darauf, daß er das Wort "Tiefschneekamerad" für einen Menschen erfunden hat, der ihm einmal half.

Mag man dem Menschen Grönemeyer seine musikalischen und lyrischen Fehlgriffe noch verzeihen, wird es schon schwieriger, wenn sich der Künstler mit dem großen Selbstbewußtsein in die Politik einmischt. Inzwischen melden sich bereits die eigenen Kollegen zu Wort.

 Dirk von Lotzow, Sänger der Band Tocotronic, möchte mit "solchen Personen" nicht auf der Bühne stehen. Gegenüber der Zeitschrift U-Mag äußerte sich der Bandleader: "Ich will nicht mit Leuten die Bühne teilen, von denen man auf künstlerischer Ebene total weit entfernt ist. Auch politisch, denn dieses gemenschelte Herbert-Grönemeyer-Zeug ist künstlerisch das Reaktionärste, was es überhaupt gibt."

 Peinlich waren dann auch die Auftritte am und vor dem G8-Gipfel. Bob Geldof faselte, daß Bundeskanzlerin Merkel nur rund 700 Millionen Euro für Afrika lockermachen müsse, und schon würde er auf Grönemeyer Einfluß nehmen, um seine Kritik zu mildern. Das ist natürlich schön, daraufhin hat Angela sicher schlaflose Nächte gehabt.

 Noch besser sind Politiker wie Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. Der bot Grönemeyer das CDU-Parteibuch, lockte mit einem Sitz im Bundestag und erklärte: "Die Besten sollen in die Politik gehen." Ob Wulff sich selbst als positives Beispiel sieht, ist unklar. Daß er allerdings ausgerechnet Grönemeyer auffordert, ihm zu folgen, ist schon fast angsteinflößend. Doch Grönemeyer antwortete nicht. Wulff schäumte.

Im Schweizer Magazin 20 Minuten äußerte sich Herbert Grönemeyer zu seinem Verhältnis zur Musik: "Ich sehe mich in der Tradition der Politliedermacher aus den siebziger Jahren. Alles was ich gemacht habe, hat sich gegen die Politiker gerichtet. Ich habe nie mit ihnen zusammengearbeitet." Da hat Herbert wohl sein heimliches Treffen mit Gerhard Schröder in Schottland vergessen, welches dann doch aufflog. Aber weiter im Interview: "Das ist bei Bono anders. Aber schließlich ist er Ire, und ich bin Deutscher - das ist ein großer kultureller Unterschied. In Großbritannien werden ja auch Leute wie Mick Jagger geadelt." Wenigstens das bleibt uns in Deutschland erspart.

Aber vielleicht verleiht ihm in zehn Jahren ein Bundespräsident Joschka Fischer wenigstens das Bundesverdienstkreuz.

Foto: Herbert Grönemeyer, Bono und Bob Geldof: "Künstlerisch das Reaktionärste, was es überhaupt gibt"


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