© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Rabenmütter und Familienmanager
Zwei ganz unterschiedliche Ansätze in der Debatte über Mutterschaft und Feminismus
Ellen Kositza

Auf den sogenannten Neuen Feminismus sollte eigentlich eine populäre Redewendung zutreffen: Es ist darüber bereits alles gesagt worden - wenn auch noch nicht von jedem. Das aktuell gültige Frauenbild wurde uns verkopft präsentiert - ganz buchstäblich etwa in Form von Louanne Brizendines Bestseller, der neurowissenschaftlichen Studie über "Das weibliche Gehirn" - und, vielfach häufiger, "aus dem Bauch heraus".

Zwei neue Bücher zur Thematik liegen vor, deren Titel trügerisch sind. Der eine - schlicht "Schwestern" - suggeriert eine gewisse Lässigkeit, während der andere sich mit alarmistischen Fanfarenstößen beinahe überschlägt: "Die Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft restlos ruinieren wird". Beide Male erweist sich die Titelei als irreführende Äußerlichkeit. "Schwestern"-Autorin Silvana Koch-Mehrin ist FDP-Mitglied und Europa-Abgeordnete. Ihren Bekanntheitsgrad verdankt die fotogene 37jährige jedoch ihren öffentlich ausgetragenen Schwangerschaften. Vor der Geburt der ersten Tochter posierte sie in einer Illustrierten für eine glamouröse Fotostrecke als "Deutschlands prominentester Bauch". Ihre Kampfschrift "für einen neuen Feminismus" mag sie unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck verfaßt haben. Immerhin hatten diverse Blätter ihre enorme berufliche Belastung als Grund für eine Fehlgeburt im vergangenen Jahr gemutmaßt.

Koch-Mehrin versucht den altbekannten Duktus im Geiste des Spruchs "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen überallhin" mit einem kämpferischen Solidaritätsgestus zu verknüpfen. Beides mißlingt. Das eine, die Starke-Frau-gegen-miese-Männer-Geschichte haben wir bereits ungezählte Male aus dutzenden Mündern und Federn gehört und gelesen: Diese "knallharte Abrechnung" mit als verkappte Patriarchen enttarnten Autoren wie Frank Schirrmacher, Herwig Birg, Norbert Bolz und Paul Kirchhof, sowie die brutalstmögliche Eva-Herman-Schelte. Koch-Mehrin über das sich ihr hier darstellende Horrorszenario: "Das Bild der heilen Familie feiert fröhliche Urständ." Na denn: Silvana, hilf! Originalitätswert - gegen null.

Auch das andere, die per Titel versprochene Frauenumarmung, geht schief. Denn vor Frau Koch-Mehrins kampfeslustigen Augen besteht kaum eine Mitmutter: Die Hausfrauen und "Brutglucken" schon gar nicht, denn die jammern ja nur (was die veröffentlichte Meinung betrifft, mag dies sogar zutreffen); diejenigen, die den Namen ihres Ehemannes annehmen, werden ihr "auf ewig ein Rätsel bleiben"; die ausdauernden Stillmütter gelten ihr ob deren "Tankstellendasein" als bemitleidenswert. Eins wird beizeiten klar: Die kampfsporterprobte Silvana war schon immer eine ganz dolle Nummer. Schon als Jugendliche vertiefte sie mit dem Vater einer Freundin bei Tisch ein Gespräch über Unternehmens-philosophie, und hernach hing der Familiensegen schief: Klar, "Muttern fühlte sich degradiert!"

Daß Koch-Mehrin schreibt, wie ihr der hübsche Mund gewachsen ist, erhöht zwar die Authentizität des Traktats - die Seriosität hingegen leidet an dem Gewurstel aus privaten Alltagsbeschreibungen, Meinungsfreudigkeit und diversen Studienergebnissen. Die Autorin (Lieblingswendung: ich finde ...) erklärt sich ständig als "genervt" oder "fasziniert" von etwas, über die Frage, ob sie als Mutter auf Teilzeit umsteigen wolle, könnte sie gar "kotzen". Auch ihre zwei "Lieblingssätze" (!), die sie "immer wieder lesen kann" verhehlt uns die Erfolgsfrau nicht - sie finden sich in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Auf Seite 13 noch wehrt sich Koch-Mehrin gegen die falschen Etikettierungen "Rabenmutter" und "Powerfrau".  Im Laufe des Buches hat sie "den Spieß umgedreht": "Ich bin eine Rabenmutter! Und das sehr gern."

Wie viele ihre Vorbeterinnen behauptet Koch-Mehrin, dieses Schimpfwort erfahre derzeit Hochkonjunktur. Allein dies ist eine seltsame Wahrnehmung: Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten schon, ist dieser Begriff ausschließlich als Selbstbezichtigung im Umlauf. Von konservativer Seite - im Sinne der Autorin also in diskreditierender Absicht - ist der Terminus schätzungsweise vor dreißig Jahren zuletzt öffentlich gebraucht worden. An etliche FDP-Ladies, Chef Westerwelle inklusive, hat die Autorin nun ein T-Shirt mit "Rabenmutter"-Aufdruck verteilt - äußerst cool.

Womit wir beim tatsächlich kühlen Zugriff auf die Endlos-Thematik wären und damit bei Peter Merschs suggestivem, jedoch hierin mogelndem Katastrophentitel. Nicht nur der Titel stimmt skeptisch, des weiteren die Tatsache, daß Mersch - studierter Mathematiker und Informatiker, im Brotberuf Systemanalytiker - binnen zweier Jahre gleich fünf Bücher geschrieben und sämtlich als "books on demand" veröffentlicht hat. Darunter einige dicke Wälzer. Seine nun vorliegende schmale Anti-Emanzipationsschrift liefert unter anderem ein Konzentrat zweier seiner Vorgängerbücher, "Die Familienmanagerin" (2006) und "Hurra, wir werden Unterschicht!" (2007). Wie die FDP-Frau hat Mersch die aktuellen Debatten über Mutterschaft, Frauenerwerbstätigkeit und Demographie aufmerksam verfolgt.

Anders als die selbsternannte Rabenmutter erspart er dem Leser jedoch sowohl eine langatmige Rekapitulierung des Vorgefundenen - das besorgen knappe Fußnoten - als auch die bitterliche Polemik, die wir von Koch-Mehrin und sämtlichen Schwestern im Geiste kennen. Ein Mann, ein Wort - eine Frau, ein Wörterbuch: hier findet auch dieser dumme Spruch mal ein wahres Beispiel. Mersch betrachtet das Dilemma des Gebär- und Aufzuchtstreiks vor allem volkswirtschaftlich. Darf man, sollte man das tun, in einem Bereich, in dem Liebe, Muße und Neigung doch die Hauptrolle spielen sollten? Ja, man darf. Erstens, weil das Bauchgefühl der Rabenmütter, Karrierefrauen und Neo-Heimchen bereits Regalmeter füllt und zweitens, weil Merschs Rechnung den realen Individualisierungsbedürfnissen und Gleichberechtigungsaxiomen durchaus Tribut zollt.

Der Autor beackert bislang unbestellte Felder: Er stellt knapp gängige Fertilitätstheorien vor, hält kurze Einführungen in Evolutionstheorie, Soziobiologie und Intelligenzforschung, erklärt die ökonomischen Vorzüge einer sexuellen Arbeitsteilung, die Nachteile (in bezug auf Nachkommenschaft mit wenigstens mittlerem, besser hohem Begabungsgrad) einer staatlichen Alimentierung und kann am Ende seiner stringenten Argumentationsführung sogar mit einem Lösungskonzept aufwarten. Das lautet grob zusammengefaßt so: Jeder Bürger hat für genau ein Kind Unterhalt zu zahlen. Mehrkindfrauen werden zur staatlich finanzierten "Familienmanagerin" ausgebildet. Noch offene Fragen? Peter Mersch lesen! Wir haben hier einen Autor, den es noch zu entdecken gilt.

Silvana Koch-Mehrin: Schwestern. Streitschrift für einen neuen Feminismus. Econ Verlag, Berlin 2007, gebunden, 176 Seiten, 18 Euro

Peter Mersch: Die Emanzipation - ein Irrtum! Warum die Angleichung der Geschlechter die Gesellschaft restlos ruinieren wird. Books on demand, Norderstedt 2007, broschiert, 152 Seiten, 15,80 Euro

Foto: Rabenmutter bei der Brutpflege: Knallharte Abrechnungen und brutalstmögliche Eva-Herman-Schelte


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