© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Katharina Wagner
Fährmann Katharina
von Harald Harzheim

Kaum ein Künstler hat derart amazonische Frauengestalten kreiert wie Richard Wagner. Brunhilde, Fricka, Isolde, Ortrud - allesamt mit eisernem Willen ausgestattet. Im Guten wie im Bösen. Auch die Bayreuther Festspiele wurden über sechzig Jahre von derartigen Frauen gesteuert, von Cosima und Winifred.

Diese Tradition könnte künftig ihre Fortsetzung finden. Falls Katharina Wagner die Festspielleitung übernehmen sollte. Mag diese Übernahme bislang keineswegs feststehen, so reden die Gerüchte sie doch geradezu sehnsuchtsvoll herbei.

Die 1978 in Bayreuth geborene Tochter von Wolfgang Wagner und dessen Assistentin Gudrun Mack gibt am kommenden Mittwoch, dem 25. Juli, mit den "Meistersingern von Nürnberg" ihr Bayreuther Regiedebüt. Katharina Wagners bisherige Inszenierungen in Berlin, München und Budapest spalten die Meinungen. Zeigte die ehemalige Assistentin Harry Kupfers darin doch eine Vorliebe für konsequentes Regietheater. In Bayreuth soll sie Christoph Schlingensiefs Engagement als "Parsifal"-Regisseur angeregt haben. Das Ergebnis, das über herkömmliches Regietheater hinausgeht und mit Performance-Elementen arbeitet, fand Katharinas Beifall.

Ihre Streitschrift für das Regietheater trägt den Titel "Zerstörung des Schönen, Guten und Hehren?" Darin verspritzt sie Spott und Gift gegen traditionelle Publikumserwartungen. Gegen jene, die moderne Inszenierungen "im Zwischenreich von Schmuddelkram, Chaos und intellektueller Überforderung argloser Besucher" ansiedeln. Dem hält die Theaterwissenschaftlerin entgegen, daß der Regisseur nicht nur bebildern müsse, sondern auch Interpret des Dramas oder der Oper sei. Vergleichbar mit einem "Fährmann zwischen einander fremden Ufern, eine Art Charon zwischen den Fronten von Auffassungen, die weit über Ästhetisches hinausgehen". Ein Spagat, den Katharina Wagner auch in den "Meistersingern von Nürnberg" thematisiert. Darin steht "der Ort Nürnberg nicht nur für sich selbst, sondern als Metapher für ein relativ geschlossenes System, das mit anderen Anforderungen konfrontiert wird". Ergo dürfte auch ihre "Meistersinger"-Inszenierung eine Auseinandersetzung mit Bayreuth enthalten. Fährmann Katharina Wagner steuert darin zwischen den Ufern Werktreue, Regietheater und Erwartungsnorm. Eine "Ästhetik des Schönen" wird die junge Regisseurin dabei wohl meiden. Erklärte sie doch nach Tankred Dorsts "Ring"-Inszenierung, daß sie "so schöne Bilder nicht auf die Bühne stellen" würde. Dieses Mißtrauen gegen schöne Bilder teilt sie übrigens mit vielen hochrangigen Kollegen.

Als Steuerfrau der Festspiele wäre Katharina Wagner eine konsequente Nachfolgerin ihres Vaters, der Bayreuth für das internationale Regietheater öffnete. Aber es spricht noch etwas anderes für sie: Der Philosoph Slavoj Žižek meint, Bayreuth sei stets ein Spiegel des deutschen Zeitgeists. Falls dies zutrifft und das 21. Jahrhundert wirklich zum "Jahrhundert der Frau" (Norbert Bolz) werden sollte, wäre eine Kür Katharina Wagners auch in dieser Hinsicht konsequent.


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