© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Zeitschriftenkritik: Aviso
Langeweile, Mutter der Musen
Werner Olles

Herausgegeben vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst erscheint Aviso, die "Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern", viermal jährlich. Jede Ausgabe der ca. fünfzig Seiten starken Hefte im DIN-A-4-Format hat ein Schwerpunktthema, das aktuelle lautet: "Lob der Langeweile". Klaus Podak, leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung, hat sich zu diesem Zweck Martin Heidegger und die tiefe Langeweile vorgenommen: "Unterwegs zum Seienden im Ganzen". Heidegger habe sich im 20. Jahrhundert als Philosoph am intensivsten mit der "manchmal alles durchdringenden Langeweile" auseinandergesetzt. Er sei gar davon überzeugt gewesen, daß Langeweile und Metaphysik in umfassender Weise etwas miteinander zu tun haben, da in den Abgründen des Daseins "die wie ein schwebender Nebel hin- und herziehende Langeweile alle Dinge, Menschen und einen selbst mit ihnen in eine merkwürdige Gleichgültigkeit zusammenrückt".

Immer wieder habe der Philosoph auf die "tragende Rolle der Langeweile" hingewiesen, die "eine der Grundstimmungen" sei, aus denen heraus das Philosophieren geschieht. Jedoch scheint die Langeweile in der Konsumgesellschaft am Übergang zum 21.Jahrhundert durchaus ein omnipräsentes Problem zu sein. Allerdings fällt auf, daß sie bereits im christlichen Mittelalter als Problem der "acedia" (Trägheit) diskutiert wurde. Da insbesondere Mönche dieser Gefahr des Mittagsdämons ("daemonium meridianum") und der damit verbundenen Gottesferne ausgesetzt waren, behalf sich beispielsweise der Benediktinerorden mit dem bekannten Grundsatz: "Ora et labora, Deus adest sine mora". Frei übersetzt: "Bete und arbeite, dann wird dir Gott sofort zu Hilfe kommen!"

Immanuel Kant, der Aufklärer aus Königsberg, empfahl dagegen - wen wundert's - nicht mehr das Beten, sondern nur noch die Arbeit. Sollte dies wider Erwarten nicht helfen, seien auch weniger heroische Maßnahmen wie Tabakrauchen, Kartenspielen um Geld oder das Lesen romantischer Liebesromane angebracht. Während Kierkegaard die Langeweile schlicht als "schöpferische Kulturhandlung" verstand, setzte Schopenhauer auf das Sammeln von Briefmarken, Insekten, Münzen oder Mineralien, und im übrigen galt für ihn: "Das Schicksal ist grausam, und die Menschen sind erbärmlich!"

Eckhard Henscheid macht sich hingegen am Beispiel Wikipedia Gedanken über den Mindersinn der neuen Informationsforen: "Ich, der rechtsradikale Hitlerattentäter". Vor allem in bezug auf seine beiden Interviews in der JF "treibt die politische Correctheitsschwärmerei schon rare Blüten" schreibt er, würde doch hier so getan, als handle es sich bei "meiner 'JUNGE-FREIHEIT'-Mitarbeit, wenn es denn eine wäre, um 51 Prozent meines Lebenswerks". Wobei es doch in Wahrheit höchstens um 0,007 Prozent gehe. Dafür fehlte dann aber zunächst jeder Hinweis auf das Zentrum seiner Tätigkeit: die entstehende Werkausgabe von ca. 12.000 Druckseiten in 15 Bänden. Noch schlimmer gehe es in den Wikipedia-Diskussions-"Chatrooms" zu, wo die "Serie von Unfug, Ungenauigkeiten, Schwindel und Halbwahrheiten über mich ihre konsequente Fortsetzung findet".

Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Salvatorstraße 2, 80333 München


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