© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Streit um die teure Vogelfluglinie
Ostsee: Brücke über den Fehmarnbelt soll gebaut werden / Umweltschützer und Anwohner sind gegen das Milliardenprojekt
Hans-Joachim von Leesen

Seit Jahren wurde das Projekt diskutiert: die Fährverbindung zwischen der deutschen Ostseeinsel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland durch eine zweistöckige Brücke für den Auto- und den Bahnverkehr zu ersetzen. So soll nach dem Bau der Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö die letzte Lücke im transeuropäischen Verkehrsnetz nach Skandinavien geschlossen werden. Hauptinteressent war und ist Dänemark. Für Deutschland hatte die 18,6 Kilometer breite Fehmarnbelt-Querung hingegen keine Priorität. Zudem schreckte der unprofitable Eurotunnel zwischen Frankreich und England. Vorige Woche haben die Verkehrsminister von Deutschland und Dänemark nun eine Absichtserklärung für die Brücke unterschrieben - damit ist aber noch keine Entscheidung gefallen. Darüber müssen die jeweiligen Parlamente entscheiden. Auch Naturschutzgesichtspunkte spielen eine gewichtige Rolle.

Etwa 5,5 Milliarden Euro soll das Ganze kosten. Davon will Dänemark 4,8 Milliarden Euro aufbringen - aber nicht aus Steuermitteln. Die Brücke soll privat finanziert werden. Bereit erklärt haben sich dazu die dänischen Rentenkassen. Sie versprechen sich ein gutes Geschäft davon, die Ausgaben durch Mauteinnahmen - im Gespräch sind etwa 60 Euro pro Kraftfahrzeug - innerhalb von 30 Jahren wieder hereinzuholen. Das setzt voraus, daß sich die Zahl der Fahrzeuge auf der "Vogelfluglinie" (die auch Wildgänse und andere arktische Vögel nutzen) von täglich 6.000 auf 9.000 erhöht. Wird dies nicht erreicht, springt der dänische Staat mit Garantien ein, die bis zu 4,5 Milliarden Euro reichen. Deutschland soll die Anbindung auf holsteinischer Seite zahlen, was etwa 800 Millionen Euro kosten dürfte, wovon Schleswig-Holstein 60 Millionen aufbringen muß. Da die Brücke zu den prioritären EU-Projekten der Transeuropäischen Netze (TEN-N) zählt, sollen in Brüssel entsprechende Zuschüsse beantragt werden.

Die Brücken-Befürworter argumentieren, daß dadurch die Fahrzeit von Hamburg nach Kopenhagen von vier auf drei Stunden verkürzt wird. Sie hoffen auf 2.000 neue Arbeitsplätze im Baubereich, der bis 2018 abgeschlossen sein soll. Die Brücken-Gegner halten dem entgegen, daß es einerseits in Dänemark kaum Arbeitslose gebe. Die Bauarbeiter werde man auch nicht in Deutschland, sondern im übrigen Europa zu günstigen Bedingungen rekrutieren. Umweltschützer beklagen, durch die Brücke werde der Straßenverkehr bevorteilt - auf Kosten eines funktionierenden Transports von Menschen und Gütern auf dem Seeweg. Alle 45 Minuten legt derzeit eine Fähre ab. Trotz einer Auslastung von etwa 35 Prozent arbeitet die Reederei mit Gewinn.

Konkurrenzkampf zwischen Fährlinie und Mautbrücke

Hamburg wie Kopenhagen setzten auf den zunehmenden Städtetourismus zwischen den beiden Metropolen. Die Märkte Skandinaviens, Deutschlands und Zentraleuropas dürften noch enger zusammenwachsen und von der neuen Nähe profitieren. Die Insel Fehmarn befürchtet hingegen den Verlust von vielen Arbeitsplätzen, wenn die Fähren ihren Verkehr einstellen müssen. Dazu gehören auch viele Stellen im Puttgarder Hafen. Noch schwerer aber fällt ins Gewicht, daß 80 Prozent der Einkünfte auf der Insel dem Fremdenverkehr zu verdanken sind. Werden die Gäste noch kommen, wenn Fehmarn jahrelang eine Großbaustelle ist?

Gewichtige Argumente gegen den Brückenbau führen die Naturschutzverbände ins Feld. Die Risiken einer festen Fehmarnbelt-Brücke seien unkalkulierbar. Sie reichten von dem durch den Brückenbau eingeschränkten lebenswichtigen Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee über die Kollisionsgefahr des internationalen Vogelzuges mit der Brücke bis zu den massiven Landschaftszerstörungen durch die umfangreichen Baumaßnahmen zur Hinterlandanbindung. Die Umweltschützer fragen, wo die riesigen Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt werden sollen, die gesetzlich für den Eingriff vorgeschrieben sind.

Die beiden Fährlinien wollen den Konkurrenzkampf mit der Brücke aufnehmen. Sie weisen darauf hin, daß die viel kürzere Brücke zwischen dem holsteinischen Festland und Fehmarn immer wieder wegen der in diesen Breitengraden nicht seltenen Stürme für den gesamten Kraftfahrzeugverkehr gesperrt werden muß, während die Fähren noch nie dadurch eine Unterbrechung erfuhren. Nach ihrer Rechnung werden Schiffe immer wirtschaftlicher Menschen und Güter transportieren können, als das im Straßenverkehr möglich ist.

Und wie die Internationale Seeschiffahrtsorganisation IMO (die zuständig ist für Bauten außerhalb der jeweiligen Drei-Meilen-Zonen) entscheiden wird, ist angesichts des Kollisionsrisikos für Tankschiffe durch die Brückenpfeiler noch völlig offen. Eine mögliche Tunnellösung wurde aber aus Kostengründen verworfen.

EU-Broschüre über TEN-N-Projekte im Internet: http://ec.europa.eu/ten/transport/projects/doc/2005_ten_t_de.pdf

Brückenkritiker: www.festebeltquerung.de, www.nein-zur-beltquerung.de/


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