© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Parkplätze statt Barockhäuser
Stadtumbau Ost: In Mitteldeutschland setzen Wohnungsbaugesellschaften auf den Abriß von Altbauten / Denkmalschützer schlagen Alarm
Paul Leonhard

In Mitteldeutschland wird versucht, die Landesdenkmalämter zu entmachten, um im Zuge des Stadtumbaus Ost den Weg für die Abrißbagger freizumachen. Vorreiter dabei ist ausgerechnet Sachsen, das eigentlich seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Denkmalpflege entwickelte und dessen nach der Wende verabschiedetes Denkmalschutzgesetz als eines der schärfsten in Deutschland gilt.

Längst ist aber die Denkmalpflege den regierenden Christdemokraten ein Dorn im Auge. Im Zuge des Stadtumbaus Ost wird unter Hinweis auf die Schieflage des Wohnungsmarktes in vielen Städten bisher geschütztes Kulturgut geschliffen. Zwar sieht das Bundesprogramm den Abriß von außen nach innen vor, aber die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die ebenfalls starken Wohnungsbaugenossenschaften leisten massiven Widerstand. Sie sind zwar am Abriß interessiert, weil sie dafür nicht nur Prämien kassieren, sondern auch von den sogenannten Altschulden befreit werden, aber es müssen nicht unbedingt die Plattenbauten aus DDR-Zeiten sein. Denn viele dieser Neubaugebiete sind inzwischen saniert und die Mieter zeigen kein Interesse, aus ihrer gewohnten Umgebung fortzuziehen.

Im Auftrag des Bundesbauministeriums hat das im niederschlesischen Görlitz ansässige Kompetenzzentrum Revitalisierender Städtebau der Technischen Universität Dresden eine Studie über die Auswirkungen des Stadtumbaus erarbeitet. Die Ergebnisse, die Jürg Sulzer, Professor für Stadtumbau, vorlegte, waren in den Augen der Länderregierungen Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens allerdings so niederschmetternd, daß eine Veröffentlichung unterblieb. Dabei stimme alles, was in der Dokumentation stehe, sagt der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow: "Sie wollten es nur nicht gern hören."

Kritik wird zum Thema Denkmalschutz überhaupt nicht gern gehört - erst recht nicht, wenn sie von ehemaligen Landeskindern kommt, die jetzt in Westdeutschland leben. So wetterte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) anläßlich der Eröffnung des Weißenfelser Schloßfestes im vergangenen Jahr: "Wenn ich aus völlig anderen Gegenden Deutschlands bitterböse formulierte Briefe bekomme über die Entscheidungen des Weißenfelser Stadtrates, dann bin ich nicht mehr bereit, solche Briefe überhaupt zu beantworten." Man sei durchaus in der Lage, verantwortungsbewußt die notwendigen Entscheidungen im Land selber zu treffen. "Wir werden das bewahren und schützen und sanieren, was wir bewahren und beschützen müssen, weil wir es unserer bedeutenden Vergangenheit gegenüber schuldig sind."

In Weißenfels dreht sich der Streit vor allem um die Marienstraße, die nach der Wende notgesichert, jetzt abgerissen wurde. Fiskalisch günstiger sei nur der Abriß der Gebäude mit einem anschließenden Neubau, argumentiert die Stadt. Von der Marienstraße bis zur Marienkirche finde man fast nur noch Parkplätze vor, kritisierte Sulzer, dessen Lehrstuhl von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gestiftet wurde, in einem Vortrag. Der Professor nennt auch Plauen und Eisleben. In der Lutherstadt sollen barocke Bürgerhäuser und Ackerbürgerhöfe aus dem 17. Jahrhundert verschwinden. Im brandenburgischen Havelberg wurde mit Geldern des Stadtumbaus Ost durch die Wohnbau GmbH bereits vor zwei Jahren das Armenhaus in der Amtstorstraße dem Erdboden gleichgemacht. Es entstanden neue Parkplätze für den Dombereich. Zur Zeit wird die ehemalige Stadtkaserne beseitigt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist Leipzig. Das Stadtforum Leipzig hat analysiert, daß in der Messestadt seit 1990 genau 446 Baudenkmale abgerissen wurden. Damit nehme Leipzig deutschlandweit eine Spitzenposition ein. Für Schlagzeilen sorgte im April vergangenen Jahres der Abbruch des "Märchenhauses", eines mit Figuren reich geschmückten innerstädtischen Monumentalbaus der Jahrhundertwende.

Bürgerinitiativen, die sich gegen die Vernichtung von Denkmalen bilden, finden kaum noch Gehör, der Denkmalschutz ebensowenig. Als in Görlitz sowohl die Untere Denkmalschutzbehörde als auch das in Dresden ansässige Landesamt für Denkmalschutz Abrißanträge der städtischen Wohnungsbaugesellschaft einvernehmlich ablehnten, schaltete der Görlitzer Landtagsabgeordnete und innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Volker Bandmann, seinen Parteifreund Innenminister Albrecht Buttolo ein. Unter dessen Regie wurde ein Umbauprogramm zwischen Wohnungsgesellschaft und Rathaus beschlossen. Dieses genehmigt die Beseitigung der meisten Denkmale entsprechend den Wünschen der Eigentümer und verpflichtet diese im Gegenzug zur Sanierung einiger Häuser.

Protest beim Ministerpräsidenten

Parallel dazu setzt Buttolo alles daran, dem Landesamt für Denkmalpflege seine gesetzlichen Befugnisse zu entziehen. Die Behörde soll dem Regierungspräsidium Dresden untergeordnet werden, das bereits als Obere Denkmalschutzbehörde fungiert. Damit würde eine Fachbehörde einer Entscheidungsbehörde untergeordnet. Gottfried Kiesow hat bereits bei Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) protestiert. Jetzt will er auch bei Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) über die Arbeitsgruppe Städtebaulicher Denkmalschutz vorstellig werden: "In Sachsen wird mir einfach zuviel abgerissen."

 

Foto: Abriß eines Altbaus: Kritische Studie verschwand in der Schublade


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