© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Schwarze Sheriffs als Pausenaufsicht
Integration: Im Berliner Problemstadtteil Neukölln sollen private Sicherheitsdienste Schulen vor Übergriffen schützen / Einwanderer laufen mit der Polizei Streife
Ronald Gläser

Jürgen Zöllner und Heinz Buschkowsky kommunizieren derzeit nur über die Presse miteinander. Ansonsten herrscht Eiszeit zwischen den beiden sozialdemokratischen Genossen aus Berlin.

Der Grund: Buschkowsky, der bodenständige Neuköllner Bezirksbürgermeister, hat mal wieder einen Einfall gehabt, der seine Parteioberen, insbesondere Schulsenator Zöllner zur Weißglut treibt - privater Wachschutz an den Schulen den Bezirks, damit es auf dem Pausenhof halbwegs friedlich zugeht.

In den letzten Wochen vor den großen Ferien ist es an Berlins Schulen zu einer Vielzahl von spektakulären Übergriffen gekommen. Darunter neben Gewalttaten gegen Lehrer auch ein Angriff zweier Jugendlicher auf eine Lehrerin, der die Zeugnisse entrissen wurden. So sollte die Nichtversetzung des Anstifters vertuscht werden. Einstimmig hatte daraufhin das Bezirksamt Neukölln - in dessen Grenzen auch die im letzten Jahr zum Synonym für Gewalt im Klassenzimmer gewordene Rütlischule liegt - beschlossen, private Wachfirmen anzuheuern. "Eltern müssen davon ausgehen können, daß ihre Kinder unversehrt aus der Schule wiederkommen", sagt Buschkowsky. In den vergangenen 30 Schulmonaten hat es allein in Neukölln 53 Angriffe von Schulfremden gegeben. Siebzig Prozent der Oberschulen hätten nunmehr ihr Interesse an privaten Wachfirmen bekundet, so das Neuköllner Bezirksamt.

Neben dem PR-Coup - Heinz Buschkowsky war letzte Woche nach dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zum wiederholten Male der am meisten gefragte Sozialdemokrat der Stadt - ist dem Lokalpolitiker das zweite Vorhaben mißlungen: Er bekommt keine zusätzlichen Mittel vom Senat, muß die Kosten für die Schulbewachung also aus seinem Bezirksetat abknapsen.

Die Überschrift des Berliner Kurier: "25 Berliner Schulen bitten um Schutz", klang zu sehr nach Offenbarungseid und lag dem zuständigen Schulsenator zu schwer im Magen. Hin- und hergerissen ist auch die Polizei. Für den Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, ist klar, "daß der Staat heute nicht einmal mehr unsere Kinder in den Schulen schützen kann".

"Viele Jugendliche haben keine Perspektive"

Für die GdP kann die Konsequenz aber nur lauten: Die Stadt braucht mehr Polizisten und keine Sicherheitsdienste. Dem widerspricht Buschkowsky. Die Polizei könne man immer nur holen, wenn es schon zu spät ist, wenn der Vorfall sich bereits ereignet habe, sagt er. Der Wachschutz wirke dagegen präventiv.

Auch in der gegenüberliegenden Ecke von Berlin, in Spandau, wird auf eine neuartige Strategie der Gewaltprävention gesetzt. Um Gewaltexzesse im Vorfeld zu einzudämmen, nimmt die Polizei jetzt immer gleich Araber und Türken mit auf Streife - als personifizierte Deeskalation sozusagen.

Angeleiert hat das Projekt der 30jährige Palästinenser Read Saleh. "Viele Jugendliche haben keine Perspektive. Ihnen fehlen positive Erfahrungen, das erzeugt Frust", sagt der SPD-Abgeordnete über jugendliche Einwanderer, von denen die Gewalt in Spandau ausgeht. Im Zuge des Projekts "Stark gegen Gewalt" laufen jetzt vier junge Ausländer mit der Polizei Streife. Als Hilfspolizei werden sie nicht eingesetzt, versichert die Berliner Polizei. "Wenn etwas Ernsthaftes passiert, sind die Kids sofort raus", zitierte eine Nachrichtenagentur den Präventionsbeauftragten der Spandauer Polizei, Detlef Mischorr. Die Aufgabe der Einwandererkinder besteht demnach darin, Ängste abzubauen, Identifikation zu schaffen und Gewalt vorzubeugen. Inzwischen erwägen andere Bezirke, ob sie dieses Spandauer "Erfolgmodell" übernehmen.

Daß sich auch der Senat für das Projekt "Wachschutz an die Schulen" begeistern wird, ist indes nicht zu erwarten. Zöllners Skepsis ist groß. Über die Berliner Zeitung verlautbarte der Senator über Buschkowskys Vorhaben: "Ich kenne sein Konzept nicht."

Die beiden hätten auf dem SPD-Landesparteitag im Ullsteinhaus am vergangenen Sonnabend genug Zeit gehabt, ausgiebig darüber zu sprechen. Dazu kam es offensichtlich nicht. Die Partei stritt dort fast nur über die Frage, ab wann sie mit der Linkspartei eine Koalition auf Bundesebene eingehen wird.


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