© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Das amerikanische Zeitalter
Eine Doppel-DVD läßt konservative Beiträger die Rolle der USA im zwanzigsten Jahrhundert und deren Auswirkungen auf Deutschland beschreiben
Stefan Scheil

Der Mensch faßt den unübersichtlichen Gang der Geschichte gern in Zeiteinheiten von Jahrzehnten und Jahrhunderten zusammen und ordnet sie einem Leitmotiv zu. Das ist nicht immer schmeichelhaft gemeint, wie es Eberhardt Jäckel mit seinem Versuch über das "Deutsche Jahrhundert" vorgeführt hat, manchmal aber offensichtlich zutreffend, wie bei den beiden jetzt von der Edition Deutsche Geschichte veröffentlichten DVDs über das "amerikanische Jahrhundert".

Gemeint ist natürlich das zwanzigste Jahrhundert, das den Aufstieg der USA vom vergleichsweise bescheidenen Rang als einer weltpolitischen Größe von vielen zur vielzitierten "einzigen Supermacht" gesehen hat. Die auf den DVDs enthaltenen acht Vorträge der Eisenacher Zeitgespräche handeln sehr verschiedene Aspekte dieses Zeitraums ab. Brigadegeneral Reinhard Günzel beschäftigt sich mit den Realitäten der deutschen Militärpolitik nach 1945, mit dem Umbau der Bundeswehr von der Verteidigungs- zur Interventionsarmee. Professor Wjatscheslav Dachitschew und Alexander Graf Urechia blicken von Osten auf Europa und Deutschland, Dachitschew auf die sowjetische Deutschlandpolitik seit der Stalin-Note von 1952 und Graf Urechia auf den Ungarnaufstand von 1956, den er als Beispiel für den schweren Kampf der europäischen Volksgruppen um Identität und Souveränität sieht.

Die angelsächsische Perspektive auf das Weltgeschehen schließlich steht im Mittelpunkt der Vorträge von Gerhard Konzelmann über den Palästinakonflikt, Konteradmiral Günther Pöschel über die Kubakrise, Walter Post über die amerikanische Ostpolitik der Ära Truman und schließlich Olaf Roses Nachbetrachtung zu Großbritanniens langem Abschied von der Weltmacht. Das Empire als Gewinner des englischen neunzehnten Jahrhunderts wurde zum Verlierer des folgenden. Zwei scheinbar gewonnene Weltkriege änderten nichts daran, daß die oft beschworene weltumspannende britische Wertegemeinschaft ihre Bindungskraft verlor.

Deutschlands internationale Rolle blieb ohne Gewicht

Den persönlichsten Vortrag hielt in Eisenach zweifellos der achtzigjährige Grenzgänger Wolfgang Seiffert. In den fünfziger Jahren agitierte er in der Bundesrepublik als FDJ-Funktionär für die von Stalin in seiner berühmt-berüchtigten Note von 1952 vorgeschlagene Wiedervereinigung. Deswegen im Vorfeld des KPD-Verbots zu einer Haftstrafe verurteilt, floh Seiffert in die DDR, um sie Ende der siebziger Jahre wegen der nationalen Frage im Streit mit Honecker wieder zu verlassen. Im Westen angekommen, stellte er dann die vollständig anationale Haltung in den bundesrepublikanischen Parteien fest. Er ging auch dagegen vor und geriet konsequenterweise in eine Außenseiterrolle, denn die deutsche Wiedervereinigung stand für die politische Klasse der Bundesrepublik nicht mehr auf der Tagesordnung.

Nach Seifferts Ansicht gab es im amerikanischen Zeitalter und während des Kalten Krieges für Deutschland die Möglichkeit eines Dritten Weges als vereinigtes Land. Die entsprechende Stalin-Note von 1952 sei ernst gemeint gewesen. Man würde dem bereitwilliger zustimmen, hätte nicht Wjatscheslav Dachitschew am gleichen Ort richtigerweise an die Funktion erinnert, die das deutsche nationale Problem in Stalins Augen stets hatte, nämlich die einer explosiven Landmine unter Europa. Vor diesem Hintergrund läßt sich verstehen, warum Stalin die Machtergreifung der Nationalsozialisten gefördert hatte und warum er 1952 wie 1932 zur Ausbreitung der Revolution auf einen Konflikt zwischen den Westmächten und einem vom nationalen Schwung beseelten Deutschland setzte. Seine Methoden waren mit den Jahren nicht origineller geworden.

Aus deutscher Sicht bestätigt dies einmal mehr das politische Dilemma des Landes in den Zeiten der globalen Entwicklung über die zwischenzeitliche Teilung der Welt hin zur Washingtoner Hegemonie. Der Spielraum für eine national orientierte deutsche Politik als eigenständige Kraft auf der internationalen Bühne ist fast gleich Null. Das ist die deutsche Bilanz des amerikanischen Jahrhunderts.

Das amerikanische Jahrhundert. Edition Deutsche Geschichte, Inning 2007, 2 DVD à 19,90 Euro, 280 und 220 Minuten


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