© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Ein großer Junge im Kostüm des Familienvaters
Hollywoods letzter großer Held: Zum 10. Todestag des Schauspielers und aufrechten Amerikaners James Stewart
Werner Norden

Sein ovales, längliches Gesicht, seine linkischen Bewegungen und seine stockende Sprechweise paßten irgendwie überhaupt nicht ins übliche Star-Klischee Hollywoods. Dennoch wurde James Stewart eine amerikanische Institution und verkörperte über vierzig Jahre in neunzig Filmen den aufrechten Amerikaner. 1984 erhielt er den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. Am 2. Juli 1997 starb der ewige Optimist und große Junge im Kostüm des Familienvaters im Alter von 89 Jahren.

Am 20. Mai 1909 in Indiana geboren, machte Stewart zunächst sein Examen als Architekt. Nach einer Bühnentätigkeit am Broadway ging er nach Hollywood. In dem Cole-Porter-Musical "Born to dance" (Zum Tanzen geboren) gab er 1936 sein Filmdebüt. Mit der Western-Komödie "Destry rides again" (Der große Bluff), in der Marlene Dietrich ihm zeigte, wie man eine Stadt säubert, hielt er 1939 seinen erfolgreichen Einstand als Westernheld. Die Dietrich sollte er später als diejenige Filmpartnerin nennen, mit der er am liebsten gearbeitet habe. Noch im gleichen Jahr kam einer von Stewarts besten Filmen in die Kinos: "Mr. Smith Goes To Washington" (Mr. Smith geht nach Washington), gefolgt von "The Philadelphia Story" (Die Nacht vor der Hochzeit, 1940)

In den Nachkriegsjahren läutete der Schauspieler dann eine neue Ära des Western ein - die des Indianerfreundes. Diese Rolle war ihm sozusagen auf den schlaksigen Leib geschrieben. Wie sehr sie ihm am Herzen lag, zeigte er in "Broken Arrow" (Der gebrochene Pfeil, 1950), einem großen, humanen Western von Delmer Daves, der sich als einer der ersten Filme seines Genres um eine ehrliche Darstellung des indianischen Standpunktes bemühte und damit gewissermaßen eine neue Epoche einleitete. Allerdings beschwerte sich Produzent Darryl Zanuck am Set, daß während der Dreharbeiten alle Schauspieler in Stewarts langsamen Sprechduktus verfielen.

Marlene Dietrich zeigte ihm, wie man eine Stadt säubert

In Anthony Manns "The Naked Spur" (Nackte Gewalt, 1952) schlug Stewart als zynischer Kopfgeldjäger dann eine härtere Gangart ein. Insgesamt fünf Filme drehten die beiden zusammen, unter anderem auch den psychologisch sorgfältig fundierten Western "Winchester '73" (1950). Endgültig zum Technicolor-Star machte ihn jedoch in den fünfziger Jahren Suspense-Spezialist Alfred Hitchcock. Als Voyeur im Rollstuhl klärte "Jimmy" in Hitchcocks "Rear Window" (Das Fenster zum Hof, 1956) an der Seite von Grace Kelly einen Mord auf. In "The Man who knew too much" (Der Mann, der zuviel wußte, 1956), dem dritten der insgesamt vier Hitchcock/Stewart-Filme, spielte Doris Day seine Ehefrau, während er in "Vertigo" (Aus dem Reich der Toten, 1958) als Detektiv mit Höhenangst und Liebhaber der zwielichtigen Kim Novak eher ein gebrochener Held war.

Flugbegeistert seit seiner Jugend, brachte er seine Erfahrungen als Pilot auch in Filme wie Billy Wilders "The Spirit of St. Louis" (Lindbergh: Mein Flug über den Ozean, 1957) und Robert Aldrichs "The Flight of the Phoenix" (Der Flug des Phoenix, 1966) ein.

Grantig, aber liebenswert spielte er im gleichen Jahr an der Seite von Rotschopf Maureen O'Hara in "Ranco River". Während "Jimmy" auf der Leinwand meist wie ein großer Junge auf die Zuschauer wirkte, war der patriotische Republikaner - im Zweiten Weltkrieg hatte er in der US-Luftwaffe gedient, einer seiner Söhne fiel in Vietnam - und Brigadegeneral der Reserve privat über fünfzig Jahre ein treuer Ehemann und Familienvater, der sich abseits vom Starrummel hielt. Wenn James Stewart auf der Leinwand erschien, wußten die Zuschauer: Das Leben ist schön. Und wenn es einmal nicht ganz so schön war, half seine Mischung aus Optimismus, Ausdauer und Hartnäckigkeit die Probleme zu lösen. Vielleicht machte gerade dies die Beliebtheit des letzten großen Helden Hollywoods aus.

Foto: James Stewart (1934)


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