© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

WIRTSCHAFT
Der Ausverkauf geht weiter
Michael Weis

Gerade einmal sieben Jahre ist es her, da entschloß sich ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung, die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aufzuheben und so die inländische Wirtschaft stärker für internationales Kapital zu öffnen. Dieser Schritt hin zu einem noch liberaleren Markt hatte neben dem geplanten positiven Effekt des Kapitaleinstroms jedoch auch einige in der Umsetzung begründete Nebenwirkungen. Seit 2000 haben sich nämlich vor allem deutsche Banken und Versicherungen dazu entschlossen, ihr Gewinnstreben über die Verantwortung gegenüber der Nation zu stellen und ihre über Jahrzehnte hin angesammelten Industriebeteiligungen abzustoßen - das war das Ende der "Deutschland AG".

An ihre Stelle traten keineswegs nur anglo-amerikanische "Heuschreckenfonds", sondern meist ganz "normale" Investoren. So erhöhte sich der Anteil ausländischer Aktionäre an deutschen Firmen von Ende 2002 bis Mitte 2006 um 15 Prozentpunkte auf etwa 40 Prozent. Die positive Seite des hohen Kapitalzuflusses - höhere Betriebsinvestitionen, Wirtschaftswachstum, Kursgewinne - dürften nicht unwesentlich durch ausländische Investitionen befördert worden sein. Allerdings wird Deutschland dafür in gewisser Weise "ausverkauft". Die ausländischen Anleger haben keine emotionale Bindung zu den Firmen, sie fühlen sich der deutschen Wirtschaft nicht verpflichtet. Hinzu kommt, daß die Zerfaserung der Aktionärsstruktur Firmenausverkäufe erleichtert. Das größte Problem ist jedoch die dadurch wachsende Abhängigkeit von internationalen Wirtschaftsentwicklungen. Und: In den 1920er Jahren hat unter anderem der Rückruf von US-Investitionen während der Weltwirtschaftskrise Deutschland nahe an den Zusammenbruch gebracht.


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