© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Opferverbände in der Krise
DDR-Aufarbeitung: Die Organisationen, die sich um die Leidtragenden des SED-Regimes kümmern, verzetteln sich in internen Streitigkeiten
Ekkehard Schultz

Gerade in der Phase, in der am intensivsten über die Einführung einer Ehrenpension für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland diskutiert wurde, fällten mehrere Vertreter von Mitgliedsverbänden der Union der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft (UOKG) eine folgenschwere Entscheidung: Auf der UOKG-Sitzung am 16. März dieses Jahres wurden per Mehrheitsbeschluß die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) und der Bund der Stalinistisch Verfolgten (BSV) aus dem Dachverband ausgeschlossen.

Als Grundlage des Beschlusses diente der Vorwurf, daß sich die Vorstände beider Organisationen nicht ausreichend, sondern nur "formal" von rechtsextremistischen Bestrebungen distanzierten.

Eingereicht hatte die Antragsbegründung - welche zum Zeitpunkt der Abstimmung den meisten Vertretern der Mitgliedsverbände nicht in schriftlicher Form vorlag - die im brandenburgischen Vieritz ansässige Interessensgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Folgen.

Betroffen von dieser Entscheidung, die mit neun zu zwei Stimmen bei einem überwiegenden Anteil an Enthaltungen getroffen wurde, sind zwei Verbände, die zu den ältesten und größten Organisationen der Opfer des kommunistischen Terrors zählen. Sowohl die VOS, 1950 in Westdeutschland von ehemaligen Häftlingen in der SBZ gegründet, als auch der im Zuge der gesellschaftlichen Umbrüche im Jahre 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gebildete BSV gehören zu den mitgliederstärksten Organisationen innerhalb der UOKG.

Vorstand revidiert den Ausschluß

Nun wurde der Ausschluß, gegen den die Vorstände von VOS und BSV anwaltlich vorgingen, mit Schreiben des UOKG-Vorstandes vom 2. Juni zwar bereits wieder revidiert. Doch der Eindruck, daß sich die Opferverbände - ohnehin stark gesellschaftlich marginalisiert - damit selbst erheblich geschwächt hätten, ist nicht beseitigt. Denn der Beschluß wurde insbesondere von der linksradikalen Presse begierig aufgegriffen: So wurde unter anderem in den Antifaschistischen Nachrichten vermeldet, daß es den antikommunistischen Opferorganisationen nicht gelungen sei "einen Minimalkonsens herzustellen".

Die UOKG wurde 1992 gegründet. Oberstes Ziel der Dachorganisation ist es, die Interessen der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland gemeinsam in die Öffentlichkeit zu tragen.

Zu Beginn des Jahres 2007 umfaßte die UOKG bereits 27 Einzelorganisationen. Eine solche Bündelung der Opfer existiert in keinem anderen Staat des ehemaligen kommunistischen Machtbereiches und könnte damit einen entscheidenden organisatorischen Pluspunkt darstellen.

Doch in den vergangenen Jahren haben sich in den Reihen mehrerer UOKG-Verbände Zweifel an der Effektivität der Arbeit der Dachorganisation deutlich gemehrt. Zum einen ist die Arbeit sehr kostenintensiv, da nur ein kleiner Teil der Verbände seinen Sitz in Berlin hat. Zum anderen macht die überaus heterogene Zusammensetzung der UOKG die Verständigung zwischen den Einzelverbänden und die Umsetzung von Beschlüssen alles andere als einfach. Sehr kleine Organisationen sind bei Abstimmungen den Verbänden gleichgestellt, die Hunderte beziehungsweise Tausende Mitglieder in ihren Reihen zählen.

Parteipolitische und ideologische Differenzen

Hinzu kommen gelegentliche parteipolitische und ideologische Differenzen, unterschiedliche Schwerpunkte bei der Verbandsarbeit, eine deutlich differierende materielle Situation, immer noch bestehende Mißverständnisse zwischen Opfern in West und Ost und auch persönliche Differenzen, die die Arbeit insgesamt deutlich erschweren. Ein großes Problem ist zudem das hohe Alter vieler Mitglieder.

Bereits im vergangenen Jahr hatte eine heimlich mitgeschnittene Tonbandaufzeichnung von einer VOS-Veranstaltung aus dem Jahr 2003 für erheblichen Wirbel in den Reihen der UOKG gesorgt. Der UOKG-Vorstand und mehrere Vorsitzende der Einzelverbände forderten den Rücktritt des damaligen Vorsitzenden der VOS, Bernd Stichler. Stichler legte seinen Posten schließlich freiwillig nieder.

Zudem wurden Vorwürfe gegen ein Mitglied des erweiterten BSV-Bundesvorstandes aufgrund eines Artikels im VOS-Verbandsorgan Freiheitsglocke erhoben. Gegen dieses Mitglied wurde innerhalb des BSV ein Ausschlußverfahren eingeleitet.

Obwohl damit die Hauptforderungen der UOKG an VOS und BSV erfüllt wurden, wurde inzwischen der Ausschlußantrag von der Interessengemeinschaft erneut eingereicht. Über diesen muß nun am 7. Juli zum zweiten Mal entschieden werden. Zugleich findet dann eine Neuwahl des UOKG-Vorstandes statt. Der bisherige Vorsitzende der Dachorganisation, Horst Schüler, der selbst ein langjähriges VOS-Mitglied ist, hat angekündigt, im Falle des Ausschlusses von VOS und BSV nicht länger für diesen Posten zur Verfügung zu stehen.


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