© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Von der Regierungspartei zur Splittergruppe
Konservatismus: Das Beispiel der vor 60 Jahren gegründeten Deutschen Partei zeigt exemplarisch, wie die CDU Konkurrenz planmäßig zersetzt
André Freudenberg

Wenn heute von der Deutschen Partei die Rede ist, die in diesen Tagen ihren 60. Gründungstag begeht, dann wird gelegentlich darauf verwiesen, daß es sich um die "älteste deutsche Partei" handele. Dies trifft zu, wenn man auch die beiden Vorläuferorganisationen hinzurechnet. Die konservativ-protestantische Deutsch-Hannoversche Partei entstand bereits 1870 und kämpfte gegen die Einverleibung des Königreiches Hannover durch Preußen. Im Preußischen Landtag sowie im Deutschen Reichstag war sie durchgängig mit Abgeordneten vertreten. Da sie ihr ursprüngliches Ziel - eine Sezession Hannovers - nicht erreichen konnte, kämpfte sie für die regionalen Belange in einem föderalen Reich. Dieses Anliegen vertrat sie auch nach 1945, als die Partei unter dem Namen "Niedersächsische Landespartei" wiedergegründet wurde.

Auf dem Bundesparteitag im Juni 1947 erfolgte die Umbenennung in Deutsche Partei, was zugleich den Beginn einer bundesweiten Ausdehnung markierte. Zielgerichtet wurden unter dem Vorsitzenden Heinrich Hellwege zunächst Strukturen in Norddeutschland aufgebaut: In Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen erfolgte die Gründung von Landesverbänden, und die Partei konnte sich in dem ländlich-protestantischen Milieu, auf das sie von jeher baute, recht gut etablieren. Das Bundesland Niedersachsen, wo sie mit rund 45.000 Mitgliedern ihre größte Basis hatte und bereits 1947 mit knapp 18 Prozent im Landesparlament vertreten war, blieb aber weiterhin Schwerpunkt. Dort stellte sie mit Hellwege von 1955 bis 1959 sogar den Ministerpräsidenten. Die DP zog auch in weitere norddeutsche Landtage ein und erzielte anfänglich zweistellige Ergebnisse. Eine Etablierung und ein Einzug in Landesparlamente außerhalb Norddeutschlands gelang allerdings nie, weder in Nord­rhein-Westfalen und erst recht nicht im Süden der Bundesrepublik.

Die CSU des Nordens

Auch wenn die Partei im Grunde genommen ein norddeutsches Phänomen blieb, konnte sie - ähnlich wie die CSU in Bayern - bereits 1949 durch ihre Beteiligung an der Regierung Adenauer bundespolitische Verantwortung übernehmen. In den Ressorts Bundesratsangelegenheiten, Justiz und Verkehr stellte sie Minister. Außenpolitisch trug sie Konrad Adenauers Westbindungskurs mit, versuchte sich aber gegenüber der CDU innenpolitisch abzugrenzen. In den Bundestag kam die DP nur dadurch, daß 1949 noch keine bundesweite Fünf-Prozent-Hürde existierte und die CDU in den darauffolgenden beiden Bundestagswahlen bereit war, zugunsten der Deutschen Partei in einigen "DP-Hochburgen" auf eigene Direktkandidaten zu verzichten.

Da der Erosionsprozeß Ende der fünfziger Jahre schon sehr weit fortgeschritten war, sah die CDU den Zeitpunkt gekommen, sich der DP vollends zu "entledigen": Sie bewegte erfolgreich neun Abgeordnete zum Übertritt in die CDU, darunter auch die beiden Minister. Dies mag vor allem mit der Furcht vor Mandatsverlust zusammenhängen, denn die Christdemokraten erklärten damals, daß sie nicht noch einmal bereit wären, die DP im "Huckepack" über die Sperrklausel zu hieven. Zuvor soll Adenauer vom Leiter der Staatsbürgerlichen Vereinigung den Rat bekommen haben, der DP einfach den "Jeldhahn" abzudrehen. Später bedauerte Adenauer sein Vorgehen gegen die DP als seinen "schwersten innenpolitischen Fehler".

Eine Fusion mit der Gesamtdeutschen Partei im April 1961 sollte der DP das Überleben sichern. Geholfen hat es nichts. Nur in Bremen gelang 1963 noch einmal der Einzug in ein Landesparlament. 1980 verlor sie dann auch die Rechtsstellung als Partei und setzte ihre Arbeit auf der Basis eines eingetragenen Vereins fort. Erst im Mai 1993 wurde in Kassel die Deutsche Partei wiedergegründet. Die aus rund 500 Aktiven bestehende Kleinpartei blieb jedoch - analog zu damals - zunächst auf bestimmte Regionen beschränkt: Neben dem Stammland Niedersachsen existierten nur noch Strukturen in Hessen.

Streit um Haltung zur NPD

Dies änderte sich erst, als sich der frühere hessische FDP-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Bundes Freier Bürger (BFB), Heiner Kappel, nach Auflösung des BFB bereit erklärte, für die DP als Bundesvorsitzender zu kandidieren. Kappel wurde dann 2001 in dieses Amt gewählt, und wiederum versuchte die Partei ihr bundespolitisches Comeback. Günstig wirkte sich auch aus, daß ein Großteil der ehemaligen BFB-Aktivisten zur DP überwechselte. Bei der Bremer Bürgerschaftswahl 2003 kam die Partei indes nicht über 0,5 Prozent der Stimmen hinaus.

Am 4. Oktober 2003 erfolgte die Fusion mit der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei (FDVP), einer DVU-Abspaltung. Dies bescherte der Partei nicht nur Mitgliederzuwachs, sondern führte auch dazu, daß der strikte Abgrenzungskurs gegenüber weiter rechts stehenden Gruppierungen zugunsten einer stärkeren Öffnung immer mehr aufgegeben wurde. An diesem Punkt entzündete sich jedoch zunehmender innerparteilicher Streit, da die Mehrheit des Bun-desvorstandes eine offene Zusammenarbeit mit der NPD anstrebte, was Kappel und seine Anhänger jedoch ablehnten. Als Folge wurde Kappel, der statt dessen eine stärkere Kooperation mit den Republikanern und der DSU anstrebte, im Januar 2005 vom Bundesvorstand als Parteivorsitzender abgesetzt (JF 5/05). Dagegen ging Kappel zunächst schiedsgerichtlich vor und rief später auch ordentliche Gerichte an. Ein demnächst stattfindender Mitgliederparteitag soll Klarheit darüber schaffen, wohin die Reise in Zukunft gehen wird.

Die Deutsche Partei jedenfalls zeigt, daß die demokratische Rechte durchaus politikfähig ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen: Mit Hellwege und dem "intellektuellen Klima" der fünfziger Jahre war dies der Fall. Ob dies heute reproduzierbar ist, mag angesichts der vielen gescheiterten Parteigründungen stark bezweifelt werden, ausgeschlossen scheint es jedoch nicht.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen