© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Nach der WM ist vor der EM: Ein Langzeitmärchen in Schwarz-Rot-Gold
Kampagnen laufen ins Leere
Richard Hausner

Statt des Sportfreunde-Stiller-Klassikers "54, 74, 90, 2006" heißt es längst "72, 80, 96, 2008", und die Jagd nach dem vierten WM-Triumph ist der Vorfreude auf den vierten EM-Titel gewichen. Ein Jahr nach dem Sommermärchen bei der Fußball-WM im eigenen Land herrscht bei den Fans der Nationalmannschaft noch immer Hochstimmung. Längst wird an den Planungen für die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz gebastelt. Denn an der erfolgreichen Qualifikation zweifelt nach den jüngsten Siegen über San Marino und die Slowakei niemand mehr. Zu überzeugend traten die Schützlinge von Trainer Joachim Löw seit der WM auf.

Weil gerade für die Süddeutschen die Anreisezeit kürzer ist als nach Hamburg oder Dortmund, rechnen die beiden Alpenländer mit einer deutschen Invasion. Die 6.000 bis 10.000 Karten, welche der DFB für die jeweiligen Spiele erhält, werden bei weitem nicht ausreichen, um alle Wünsche zu befriedigen. Hinfahren werden die Anhänger aber auch ohne Karten, denn schließlich wird es nach dem erfolgreichen Modell bei der WM 2006 auch bei der EM Übertragungen auf Großbildleinwänden geben. Die Fans können den Beginn des Turniers gar nicht mehr erwarten, sitzen auf gepackten Koffern. "Ach Mensch - los, Uhr vordrehen", übt sich beispielsweise Steffen2509 im Forum von www.tooor.de in Ungeduld.

Daß WM-Euphorie und schwarzrotgoldene Begeisterung nicht verflogen sind, davon konnte man sich beim Länderspiel in Nürnberg gegen San Marino überzeugen. Demonstrativ und voller Vorfreude forderte der Stadionsprecher die Zuschauer auf: "Und jetzt singen wir gemeinsam die deutsche Nationalhymne." Was dann auch mit großer Hingabe geschah. Ebenfalls eindrucksvoll die Choreographie "Deutschland" mit zahlreichen Deutschland-Fahnen, die spontan an das Hambacher Fest erinnerte. Hymne und Fahne sind also weiterhin mega-in.

Gänsehaut-Atmosphäre herrschte auch in Hamburg gegen die Slowakei, und zwar vor allem, als Oliver Pochers "Schwarz und weiß" in einer unwahrscheinlichen Lautstärke geträllert wurde. Dieses Lied, die deutsche Version der Frameless-Titels "Black & White", schaffte es in den deutschen Charts bis auf Platz drei.

Claudia Roth achtet auf die politisch-korrekte Ausrichtung

Die Krönung folgte am Samstag auf der Münchner Leopoldstraße. Hier wurde der Jahrestag des WM-Eröffnungsspiels gefeiert. Das Bayerische Fernsehen berichtete live und stellte seine über siebenstündige Berichterstattung unter das Motto "Schwarz-Rot-Gold - Der Fußball-Rausch". Es versteht sich von selbst, daß viele mit Trikot, Fahne oder Gesichtsbemalung unterwegs waren.

All das wird von den Anti-Rechts-Strategen argwöhnisch beäugt. Und so verwundert es nicht, daß der deutsche Fußball seit der WM stärker denn je in derartige Kampagnen verwickelt wird. Obwohl laut dem renommierten Fan-Forscher Gunter A. Pilz Rassismus in den deutschen Stadien in den vergangenen Jahren rückläufig ist, suggerieren die permanenten Aktionen unterschwellig das Gegenteil. Pünktlich zum Spiel gegen die Slowakei wurde im HSV-Museum eine Ausstellung über die Zeit des Nationalsozialismus eröffnet, in Nürnberg konnte man sich in der Halbzeit an einem "Anti-Rassismusspot" des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) erfreuen.

Außerdem fand in Nürnberg die konstituierende Sitzung der Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) statt. Ein zentrales Anliegen dieser Stiftung ist die Pflege der Fußballgeschichte in Deutschland. Dafür ist in Nordrhein-Westfalen die Errichtung eines nationalen Fußballmuseums vorgesehen. Eine tolle Sache, diese Stiftung, könnte man also meinen, wenn da nicht doch ein Haken wäre. Im Kuratorium sitzt nämlich auch Claudia Roth, die Bundesvorsitzende der Grünen - eine Garantin für die politisch-korrekte Ausrichtung. "Die DFB-Kulturstiftung wird hier Signale weit in die Gesellschaft hinein senden", ist sie sicher und denkt dabei wohl an die weiteren Schwerpunkte der Stiftungstätigkeit wie die Unterstützung von künstlerischen Projekten der rot-grünen Klientel rund um den Fußball, an die Förderung von Maßnahmen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus - oder wie Roth es formuliert: "Der Kampf gegen Rechts" im Fußball darf nicht enden.

Diese politische Vereinnahmung des Sommermärchens sollte die deutsche Elf aber nicht verunsichern. Schließlich wurde sie von höchster Stelle geadelt "Ich wage zu behaupten: Im Moment sind wir die Nummer eins in Europa", polterte Ende März nach dem Sieg in Tschechien kein Geringerer als Franz Beckenbauer. Und wer mag da schon widersprechen.

Foto: Jubelstimmung beim Länderspiel Deutschland-Slowakei: Hymne und Fahnen sind weiterhin mega-in


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen