© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Liebe, Landschaft, Menschen, Tiere
Cary Grants Stimme führte auch ein Eigenleben: Zum hundertsten Geburtstag des Schauspielers Paul Klinger
Werner Olles

Seine Stimme kennt fast jeder. Paul Klinger war der Synchronsprecher so berühmter Stars wie William Holden, Cary Grant, Stewart Granger, Charlton Heston, Jean Gabin und Jean Marais. Daß er seit den dreißiger Jahren zu Hause in Deutschland auch ein bekannter und gefragter Filmschauspieler war, ist indes vielen Kinogängern, besonders den jüngeren, nahezu unbekannt.

Es war keine Geringerer als sein Schulkamerad Helmut Käutner, der die Theaterleidenschaft bei ihm weckte. Doch zunächst absolvierte Paul Klinger, der am 14. Juni 1907 in Essen unter dem Namen Paul Karl Heinrich Klinksik geboren wurde, ein Architekturstudium. Aber es zog ihn schon bald auf die Bühne, und so tourte Klinger zunächst mit verschiedenen Wanderbühnen kreuz und quer durch Deutschland. Schließlich bekam er in Koblenz sein erstes festes Engagement, wechselte dann allerdings nach Berlin, wo er am Deutschen Theater die Rolle des jugendlichen Helden gab.

1933 bot ihm Robert Schneider-Edenkoben die Hauptrolle in der UFA-Produktion "Du sollst nicht begehren" an. Klinger spielt den entwurzelten Kriegsheimkehrer Lutz, der die Tochter eines fahrenden Händlers liebt und von seinem eigenen Bruder aus Eifersucht erschlagen wird. Das von seinem Regisseur selbst als "überwältigend schlicht" und "holzschnittartig" angekündigte Heimatdrama kam unter dem Titel "Blut und Scholle" in die Kinos. Nach 1945 erhielt der Film - vermutlich seines Titels und weniger des Inhalts wegen - ein alliiertes Vorführverbot.

Einen großen Erfolg feierte Klinger indes mit Veit Harlans "Die goldene Stadt" (1941/42), einem optisch hervorragenden, mystischen Melodram, in dem er neben Kristina Söderbaum, Rudolf Prack und Annie Rosar die Hauptrolle spielte. Auch dieser Film konnte nach 1945 wegen seiner angeblichen Verherrlichung "nationalsozialistischer Blut-und-Boden-Ideologie" und der "Diskriminierung slawischer Untermenschen" nur in einer stark gekürzten Fassung gezeigt werden.

"Unterschwellig eingeflochtene antifranzösische Propagandatöne" warf man später auch Arthur Maria Rabenalts "Zirkus Renz" (1943) vor. Doch war die Geschichte des Aufstiegs eines Rummelplatz-Zirkusses Anfang des 19. Jahrhunderts zum ersten deutschen Großzirkus mit festem Haus in Berlin ein liebevoll und sorgfältig inszenierter Zirkusfilm mit authentischem Zeitkolorit, Spannung und viel Atmosphäre. Neben René Deltgen stand Klinger als Harms im Mittelpunkt der sentimentalen Lebens- und Liebesgeschichte des Zirkuspioniers Ernst Renz und dessen Rivalität mit einem französischen Konkurrenzunternehmen.

Letzte große Auftritte auf dem "Immenhof"

Die ersten Nachkriegsfilme Klingers, "Sensation im Savoy" (1950) und "Am Brunnen vor dem Tore" (1952), waren zwar kommerziell durchaus erfolgreich, doch gelang es ihm erst mit Thomas und Erich Engels Verfilmung von Erich Kästner Kinderroman "Pünktchen und Anton" (1953), auch die Kritiker einigermaßen zufriedenzustellen. Die Geschichte von der Freundschaft zwischen einem Mädchen aus reichem Haus und dem Jungen, der für seine arme, kranke Mutter sorgen muß, ist eine ansehnliche Familienunterhaltung, wobei der pädagogische und gesellschaftliche Hintergrund für die fünfziger Jahre erstaunlich unaufdringlich erscheint.

Im gleichen Jahr verfilmte Kurt Hoffmann Erich Kästners vergnüglichen und warmherzigen Roman "Das fliegende Klassenzimmer", und Paul Klinger spielte den "Nichtraucher". In der Rolle eines durch Schicksalsschläge verbitterten Arztes, der in einem ausrangierten Eisenbahnwaggon haust und mit den Jungen einer Gymnasialklasse des nahegelegenen Internats befreundet ist, konnte Klinger endlich wieder zeigen, was in ihm steckte. Unvergessen bleibt die Szene, als er durch die Vermittlung der Schüler seinen verschollen geglaubten Jugendfreund Justus (Paul Dahlke), den Klassenlehrer seiner jungen Freunde, wiedertrifft.

In Harald Reinls "Rosen-Resli" (1954) wird er hingegen von Christine Kaufmann in ihrer ersten Filmrolle listig unter die Haube gebracht, während Gustav Machatys "Suchkind 312" (1955) eher ein tragisches Nachkriegsproblem, das Schicksal der durch Bombenkrieg und Flucht von ihren Eltern getrennten Kindern thematisierte.

Daß man mit Erfolg eine allzu große Nähe zum Militärschwank vermeiden kann, bewies Klinger in Arthur Maria Rabenalts Köpenickade "Unternehmen Schlafsack" (1955). Als Hauptmann Brack rettet er hier die ihm unterstellten Soldaten durch einen hochstaplerisch vorgetäuschten Sonderauftrag von der Ostfront nach Berlin.

Noch im gleichen Jahr drehte Wolfgang Schleif den ersten Film der dreiteiligen "Immenhof"-Reihe: "Die Mädels vom Immenhof" nach dem Jugendbuch von Ursula Bruns. Klinger spielt in diesem turbulenten und heiteren Heimatfilm um die beiden in ungebundener Freiheit aufgewachsenen Mädchen Dick (Angelika Meißner) und Dalli (Heidi Brühl), die sich auf einem holsteinischen Gutshof mit ihrem Feriengast, dem verwöhnten Cousin Ethelbert, herumschlagen müssen, den Gutsbesitzer Jochen von Roth.

In der Fortsetzung "Hochzeit auf Immenhof" (1956), diesmal unter der Regie von Volker von Collande, bekommt der Hof endlich wieder eine neue Herrin und seine Bestimmung als Ponyhotel. Liebe, Landschaft, Menschen und Tiere, alles ist eine einzige verklärte Idylle, aber so freundlich und betont harmlos, daß man sich schon auf den dritten Teil freute. Inszeniert von Hermann Leitner zeigte "Ferien auf Immenhof" (1957) die Entwicklung des Gestüts nach der Eröffnung des Ponyhotels. Die "Immenhof"-Serie bescherte Klinger seine letzten großen Auftritte im Kino.

In den sechziger Jahren wurde es um Paul Klinger ruhiger. Doch spielte er noch in der sechsteiligen WDR-Fernsehserie "Tim Fraser" nach Francis Durbridge, lieh seine sonore Stimme einigen Hörfunk-Produktionen und arbeitete vornehmlich als Synchronsprecher. Am 14. November 1971 starb Paul Klinger im Alter von 64 Jahren in München an den Folgen eines Herzinfarktes. Zu seinem hundertsten Geburtstag ehrt die Deutsche Post den beliebten Schauspieler nun mit einer Sondermarke.

Foto: Paul Klinger in dem Film "Zirkus Renz" (1943): "Unterschwellige antifranzösische Propagandatöne"


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