© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Gewalt und Mehrwert
von Doris Neujahr

In Halberstadt in Sachsen-Anhalt ist am vergangenen Wochenende eine Theatertruppe verprügelt worden. Was normalerweise eine Schlagzeile in der Lokalpresse und höchstens noch eine Notiz im überregionalen Feuilleton ausgelöst hätte, ist zum bundesweiten Medien­ereignis geworden. Der Grund: Die Täter gehören der Neonazi-Szene an. Unnötig zu sagen, daß die sonst bis zum Überdruß praktizierte Abstufung zwischen politischer Gesinnung und sozialer Verwahrlosung hier nicht gilt. Die Polizeiführung und der Ministerpräsident beeilten sich, das Verhalten der Beamten vor Ort zu kritisieren, der Einsatzleiter wurde suspendiert.

Doch woher sollen Polizisten den Mut zum Risiko nehmen, wenn ihnen andererseits, wie anläßlich der Ausschreitungen in Rostock, gesellschaftlicher Respekt und Schutz versagt wird? Es gibt eine Sorte von Gewalt, deren mediale Aufbereitung politischen Mehrwehrt verspricht, und eine andere, die unter den Teppich gekehrt wird. Kürzlich hat das Schwule Überfalltelefon in Berlin die Ergebnisse seiner steuerfinanzierten Gewaltstudie vorgestellt. Sieben Prozent der Befragten gaben "rechtsradikale Deutsche" als Täter an, doch 16 Prozent ausländische Jugendliche. Nur war nach dieser Tätergruppe überhaupt nicht gefragt worden. Sonst hätte man viel mehr Nennungen erhalten, gaben die Organisatoren offen zu, aber das Thema sei "angstbesetzt". Was ist langfristig eigentlich unheilvoller: die Gewalteruptionen oder ihre unterschiedliche Bewertung nach politischer Opportunität?


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