© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Die Einheit Deutschlands durfte nicht erörtert werden
Vor sechzig Jahren, am 8. Juni 1947, endete die letzte Regierungskonferenz aller deutschen Länder in München / Die Teilung war bereits offenkundig
Elmar Krautkrämer

Nach dem Potsdamer Abkommen vom 1. August 1945 lag die oberste Regierungsgewalt in Deutschland bei den Militärbefehlshabern der Besatzungsmächte. Eine zentrale deutsche Regierung sollte nicht errichtet werden, aber Deutschland hatte während der Besatzungszeit als eine wirtschaftliche Einheit zu gelten. Doch die Besatzungsmächte konnten sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, was zunächst auf den Widerstand der Franzosen zurückging, später auf das eigenmächtige Vorgehen der Sowjets in ihrer Zone. Unter anderem wurden hier SPD und KPD zur SED zwangsvereinigt. Die Zonen drifteten politisch und wirtschaftlich auseinander.

Am 6. September 1946 hielt der US-Außenminister James Francis Byrnes in Stuttgart seine berühmte Rede, deren Kernsatz war: "Wir treten für die wirtschaftliche Vereinigung Deutschlands ein. Wenn eine völlige Vereinigung nicht erreicht werden kann, werden wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um eine größtmögliche Vereinigung zu sichern." Am 1. Januar 1947 entstand aus der amerikanischen und der britischen Zone das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, allgemein "Bizone" genannt.

Um Lösungen zur Behebung der wirtschaftlichen Not in Deutschland zu besprechen, lud der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard am 7. Mai 1947 alle Regierungschefs der deutschen Länder zu einer Konferenz vom 6. bis 8. Juni nach München ein. Doch durften auf Weisung der westlichen Militärgouverneure dabei Fragen der deutschen Innenpolitik und des Staatsaufbaus sowie der Einheit Deutschlands nicht erörtert werden. Die Vertreter der französischen Zone erhielten von ihrer Besatzungsmacht die Anweisung, bei Nichtbeachtung dieser Einschränkung die Konferenz zu verlassen.

Für politische Entscheidungen in der sowjetischen Zone war das Zentralsekretariat (ZS) der SED mit Walter Ulbricht an der Spitze zuständig. Dieser sprach sich in einer Plenarsitzung des ZS gegen eine Teilnahme aus, wurde aber überstimmt. Auf einer weiteren Sitzung des ZS waren dann die Gegner der Konferenz in der Mehrheit und setzten den folgenden Beschluß durch: Die Delegation sollte in München zu Beginn der Konferenz den Antrag stellen, Vertreter der Parteien und Gewerkschaften hinzuzuziehen und die wirtschaftliche und politische Einheit Deutschlands als zentralen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen sowie die Konferenz nach Berlin zu verlegen. Im Falle der Ablehnung sollte sie die Konferenz sofort verlassen. Damit waren die Weichen für den Eklat gestellt. Von den fünf Länderchefs gehörte nur der sachsen-anhaltinische, Ehrhard Hübener (LDPD), nicht der SED an, mußte sich aber ihrem Willen beugen. An Stelle des sächsischen Ministerpräsidenten Rudolf Friedrichs, der schwer erkrankt war, reiste sein Innenminister Kurt Fischer an, ein gehorsames Mitglied der SED. Er schärfte der Delegation auf der Reise ein, sich strikt an den vom ZS der SED gefaßten Beschluß zu halten.

Sprengung der Konferenz war recht genau vorbereitet

In München begann die Sitzung der Länderchefs am späten Abend. Als einer Wortmeldung der mitteldeutschen Delegation stattgegeben wurde, stellte der mecklenburgische Ministerpräsident Wilhelm Hoecker (SED) folgenden Antrag: "Wir beantragen als entscheidende Voraussetzung für die Verhandlungen in der Konferenz, als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen: Bildung einer deutschen Zentralverwaltung durch Verständigung der deutschen Parteien und Gewerkschaften zur Schaffung eines deutschen Einheitsstaates."

Das konnte keiner der westlichen Teilnehmer akzeptieren. Die Ostdelegation begab sich zu Beratungen in einen Nebenraum, bestand aber weiterhin auf ihrem Antrag. Nach einer guten Stunde erschien sie noch einmal vor der Konferenz. Der Ministerpräsident von Brandenburg, Karl Steinhoff (SED), erklärte nun, nachdem die meisten Konferenzteilnehmer den Antrag seiner Delegation abgelehnt hätten, sehe sich diese gezwungen, die Teilnahme an der weiteren Konferenz zu verweigern. Dann verließ sie geschlossen und grußlos den Sitzungssaal.

Die Delegation übergab in den frühen Morgenstunden der Presse ein Kommuniqué. Die Abreise wurde damit begründet, daß man sie nicht habe zu Wort kommen lassen. Thüringens Ministerpräsident Rudolf Paul hatte einem Journalisten den Wortlaut der ersten Sätze diktiert, dann aber ein fertiges Manuskript aus der Tasche gezogen und es zur Abschrift übergeben. Das war ein Beleg dafür, daß die Sprengung der Konferenz recht genau vorbereitet gewesen war. Ein Vermittlungsversuch des Berliner Bürgermeisters Ferdinand Friedensburg (CDU) am folgenden Vormittag scheiterte an der starren Unnachgiebigkeit Pauls, der auf der Erörterung des gestellten Antrags bestand. Doch Ehard erklärte, daß er eine Rede von Paul nicht zulassen könne, da sie das Gebiet eines Einheitsstaates berühren werde.

Die Hoffnung der Deutschen auf Beendung der Spaltung war begraben. Es sollte 23 Jahre dauern, bis die Spitzen der beiden deutschen Staaten politische Gespräche erneut begannen, doch unter anderen Aspekten: Nun stand in Berlin die Mauer, und westdeutsche Politiker schienen sich zunehmend mit der Spaltung Deutschlands und der DDR-Diktatur abgefunden zu haben.

In einschlägigen Arbeiten über die Frühphase des Kalten Krieges steht die deutsche Frage mit im Vordergrund. Auch das gespannte Verhältnis zwischen Churchill und Stalin in der Nachkriegszeit war von ihr geprägt. Im Vorfeld der Münchner Ministerpräsidenten-Konferenz zeigte sich deutlich, daß eine gemeinsame Viermächtepolitik gegenüber Deutschland nicht mehr möglich war, da die Sowjets das in ihrem Machtbereich errichtete System weiter nach Westen ausdehnen wollten. Der Ausgang der Konferenz demonstrierte der Welt, wie weit die verschiedenen Besatzungssysteme die Deutschen in Ost und West voneinander getrennt hatten. Bis 1989 galt die gescheiterte Münchner Konferenz teilweise auch als ein Beleg dafür, daß die Deutschen nicht fähig und vielleicht auch gar nicht willens waren, die Spaltung selbst zu überwinden.

 

Prof. Dr. Elmar Krautkrämer lehrte Neueste Geschichte an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg/Breisgau.


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