© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Frisch gepresst

Lager im Westen. Daß die sowjetischen Militärbehörden nach 1945 ehemalige NS-Konzentrationslager wie Sachsenhausen und Buchenwald neben anderen "Speziallagern" weiterbetrieben, dürfte nicht unbekannt sein. Weit weniger im Bewußtsein ist dagegen, daß auch die Westalliierten keine Probleme damit hatten, die Leidensstätten für Juden oder politische Gegner unter ihrer Regie umgehend weiterzubetreiben. So wurden beispielsweise in Neuengamme bei Hamburg oder Dachau Deutsche interniert. Der Historiker Ekkehard Zimmermann erinnert an die dort alltägliche, menschenverachtende Internierungspraxis, die bereits im Herbst 1944 einsetzte, kaum daß alliierte Truppen deutschen Boden erreichten. Neben den entsetzlichen hygienischen Zuständen und der beinahe fehlenden Versorgung mit Lebensmitteln, die später auch in den Kriegsgefangenlagern wie auf den Rheinwiesen oder bei Bad Kreuznach alltäglich waren, übten oft entlassene Zwangsarbeiter bei wohlwollendem Ignorieren der Besatzungsmächte ein Schreckensregiment bar jedem Kriegsvölkerrechts aus (Staub soll er fressen. Die Internierungslager in den Westzonen Deutschlands 1945-1949. Verlag Haag + Herchen, Frankfurt/Main 2007, broschiert, 94 Seiten, Abbildungen, 12 Euro).

NKWD-Lager. In Erinnerung an ihren Vater Gerhard Schmitt, der 1946 in einem Lager der NKWD in Mühlberg an der Elbe jämmerlich verhungern mußte, hat Helma von Nerée die private Familiengeschichte aufgeschrieben, die durch die Widrigkeiten von Krieg und Nachkriegszeit wahrscheinlich in vielen deutschen Familien Analogien aufweist. Allerdings hat sie dabei den Weg vom Tiefpunkt des Familienschicksals - immer gespickt mit typischen und aussagekräftigen Dokumenten oder Zeitungsartikeln - bis in die Nachwendezeit weiterverfolgt. Diese Betrachtung mündet dann in einem politischen Resümee, das insbesondere die mangelhafte Aufarbeitung des kommunistischen Unrechts nach 1990 anklagt (Erinnern, nie vergessen! NKWD-Lager-Aufarbeitung. Eigenverlag 2006, Grüner Weg 2, 34431 Marsberg, broschiert, Großformat, 326 Seiten, 25 Euro plus Versand).

Berlin unter Hitler. Die niederländischen Historiker Henk van Capelle und Arie-Pieter van de Bovenkamp sind im Nachbarland zu wahren Top-Autoren aufgestiegen, was wohl primär dem Stoff ihrer Sachbücher geschuldet ist. So scheint nämlich auch zwischen Dollart und Scheldemündung das Interesse am Nationalsozialismus schier unersättlich zu sein. Nach Capelles und Bovenkamps Werken über den "Berghof" oder über die NS-Führungskaste haben sie 2003 ein reich illustriertes Werk über "Berlin unter Hitler 1933-1945" (Tosa Verlag, Wien 2007, 240 Seiten, gebunden, Abbildungen, 14,95 Euro) herausgegeben, das nun auch auf deutsch vorliegt. Neben den wesentlichen Stätten der Machtausübung oder den "Germania"-Plänen beeindrucken auch die vielen Aufnahmen der noch unzerstörten Reichshauptstadt.


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