© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Familie, Heimat, Volk und Gott
Konservatismus: Bernt von Heiseler zum Hundertsten
Manfred Müller

Ein Glaube an Gott, ein Glaube auch an die Menschen, die er in all ihrer Unzulänglichkeit kennt, ein Glaube daran, daß die Erde über alle Zerstörungen hinweg unerschöpflich ist an Kräften des Wachstums und der Heilung." So formulierte der Schriftsteller und Dichter Bernt von Heiseler die Grundüberzeugung des russischen Erzählers Nikolai Leskow. Damit charakterisierte Heiseler aber auch sein eigenes literarisches Schaffen, das durch Formvollendung und die Zuordnung der fiktiven Gestalten Familie, Heimat, Volk und Gott bestimmt wird. Die Deutschland-Stiftung zeichnete Heiseler 1967 mit dem Konrad-Adenauer-Preis aus - für "mutiges Eintreten gegen literarische Herabwürdigung und Zerstörung ethischer Werte und Bindungen". Kein Wunder, daß heute in vielen öffentlichen Bibliotheken Bücher dieses konservativen Autors nicht zu finden sind.

Bernt von Heiseler wurde am 14. Juni 1907 in Großbrannenberg/Kreis Rosenheim als Sohn des aus St. Petersburg stammenden Dichters und Puschkin-Übersetzers Henry von Heiseler geboren. Vater Heiseler, russischer Staatsbürger, wurde auf einer Rußland-Reise vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht und mußte als Offizier in der Armee des Zaren dienen. Nach der Oktoberrevolution wurde er zur Roten Armee eingezogen; erst 1922 gelang ihm die abenteuerliche Flucht zu seiner Familie nach Oberbayern. In seinem kultivierten Elternhaus erhielt der junge Bernt zahllose Anregungen. Er studierte Geschichte und evangelische Theologie, betätigte sich als freier Schriftsteller und unternahm ausgedehnte Reisen in Europa und Nordamerika.

Der Nationalsozialismus, von dem er sich zunächst beeindrucken ließ, erweckte in Heiseler zunehmend zwiespältige Gefühle. Im Zweiten Weltkrieg diente er 1940 freiwillig als Dolmetscher, mußte die Wehrmacht jedoch krankheitsbedingt verlassen. 1942 erhielt Heiseler nach der Uraufführung seiner Tragödie "Cäsar" (Thema: der Widerstreit von Volksherrschaft und Alleinherrschaft) Publikationsverbot. In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 mußte er in die Kaserne einrücken. Die Vereidigungszeremonie mit NS-Akzenten erlebte er so: "Stärker als jemals habe ich an dem Vereidigungsmorgen die Verlogenheit und Verdorbenheit der Sache gefühlt, die da vertreten wurde, und wie unsäglich schwer es geworden ist, durch sie hindurch das Bild und den Dienst des bedrohten Vaterlandes festzuhalten."

Familienschicksale im 20. Jahrhundert

In der zeitgeschichtlichen Forschung hat sich im Lauf der Jahrzehnte in vielen Fällen eine durchaus differenzierte Betrachtungsweise des Dritten Reiches herausgebildet. Im Schulunterricht, in den Medien und in der belletristischen Vergangenheitsbewältigung hat sich dagegen immer mehr eine grobe Schwarzweiß-Zeichnung eingestellt. Heiseler hebt sich davon wohltuend ab. 1953 erschien sein großer Familienroman "Versöhnung" über das Leben dreier Generationen ab 1928, vergleichbar mit der "Forsyte-Saga" aus dem Jahrhundert davor. 1964 brachte Heiseler den Roman "Das verschwiegene Wort" heraus: das Leben einer Pädagogin, einer "Mitläuferin" aus ethischer Verantwortung, mit ihrem wechselvollen Schicksal in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und im Nachkriegsdeutschland. Diese beiden Bücher (wie auch die Jugenderinnerungen "Haus Vorderleiten", 1971) bieten Lebenshilfe und Orientierung für suchende Deutsche in einer weithin neurotisierten Nation.

Der Autor verstarb allzu früh schon im August 1969 und hinterließ ein umfangreiches Lebenswerk in allen literarischen Gattungen.


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