© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

"Das hätte jeder hier getan"
Pöttering kein Thema in Israel
Oren Geller

Als am 30. Mai der Präsident des Europaparlaments nach Jerusalem kam, um vor der Knesset zu sprechen, war das ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Israel war mit dem Boykott des britischen Akademikerbundes, der Wahl der Chefs der sozialdemokratischen Awoda-Partei und dem alltäglichen palästinensischen Beschuß der israelischen Stadt Sderot beschäftigt. Die einzige Zeitung, die vom hohen Besuch aus Straßburg berichtete, war die kleinste der drei Tageszeitungen, die Ha'aretz - auf Seite 26.

Hans-Gert Pöttering zeigte in seiner Rede Empathie für die Ängste der israelischen Bevölkerung vor der antisemitischen iranischen Führung und beteuerte, daß die EU dem jüdischen Staat in jeder Situation beistehen werde. Vor fast leerem Plenarsaal kritisierte der CDU-Politiker die Bombardierung der 20.000-Einwohner-Stadt Sderot. Andererseits sprach er seinen Unmut bezüglich des Sperrzaunes aus, den Israel im Westjordanland gegenüber den Palästinensergebieten errichtet. Darüber hinaus wies er auf die Werte Europas hin, die er auch über die eigenen Grenzen hinaus verbreitet sehen möchte. So forderte er als ersten vertrauensbildenden Schritt die Freilassung der drei israelischen Soldaten und des britischen Journalisten aus den Händen der Palästinenser, aber auch die des von Israel erst kürzlich festgenommenen palästinensischen Bildungsministers.

Letzteres war für Parlaments­chefin Dalia Itzik von der Regierungspartei Kadima allerdings zuviel des Guten. Als Pöttering seine Rede beendete, setzte sie sich bewußt übers Protokoll hinweg und wies ihn darauf hin, daß der festgenommene Minister in Terroraktivitäten involviert sei: "Sein pädagogischer Ansatz ist der, daß er Kinder ausschickt, sich selbst in die Luft zu sprengen."

Das Abweichen von diplomatischen Gepflogenheiten deutete die ausländische Presse als einen "Eklat" oder gar als "Ärger". Itziks Sprecher ließ jedoch verlauten, daß dies ganz und gar nicht der Fall gewesen sein soll: "Itzik ist eine Israelin, und jeder hier hätte dies an ihrer Stelle getan."


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