© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Von der Würdigung zur Sozialmaßnahme
Vergangenheitsbewältigung: Trotz mehrerer Änderungen stößt der Gesetzentwurf für eine Rente für Opfer des SED-Regimes weiter auf Kritik
Hans-Eberhard Zahn

Hammer-und-Sichel-Fahnen, DDR-Embleme, Stasi-Orden: Wohlfeil sind sie zu haben auf vielen Trödelmärkten. Dagegen ist schon das Zeigen von Hakenkreuzen strafbar. Linksextremisten nennt man schamhaft "Autonome". Für den kilometerweit links von der SPD agierenden Linksextremismus bringen manche Medien ein fast wohlwollendes Verständnis auf. Der Rechtsextremismus beginnt für sie allerdings schon einen Millimeter rechts von der CDU.

In diese Landschaft der Political Correctness will man jetzt im Bundestag ein neues Gewächs namens "Opferrente" pflanzen (JF 6/07). Schon der Entwurf sah dürr und dürftig aus. Aber er fügt sich gut in die Landschaft: Hohe Staats- und Parteifunktionäre der DDR kommen gemäß Bundesverfassungsgericht voll in den Genuß der ihnen einst als Privileg zuerkannten "Zusatzversorgung". Das kostet jährlich 4,3 Milliarden Euro. Ihre Opfer hingegen, also die durch politische Haft und berufliche Benachteiligung geschädigten Menschen, müssen in vielen Fällen von Renten nahe am Existenzminimum leben. Über Zusatzkosten für SED-Opfer in Höhe von 70 Millionen streitet man sich heute.

Über diese "Gerechtigkeitslücke" hatte man schon lange und viel geredet. Aber eben nur geredet, nie gehandelt. Die jeweilige Opposition machte hochfliegende Versprechungen, die sie dann, zu Regierungsparteien gewandelt, nicht hielt. Bei den Opferverbänden hat man so Hoffnungen, gar Illusionen erzeugt, die der Realität nicht standhalten konnten. Aus Illusion wurde alsbald Resignation.

Eckpunkte sorgten für Sturm der Entrüstung

Hoffnung kam wieder auf, als sich Union und SPD 2005 in ihrem Koalitionsvertrag eine Verbesserung der Situation der Kommunismus-Opfer vornahmen. Ein Muster hierfür schien der Einigungsvertrag vorzugeben: Für einen von der DDR als NS-Opfer anerkannten, also von Kommunisten handverlesenen, Personenkreis wurde bis zum Untergang der DDR eine einkommensunabhängige "Ehrenpension" gezahlt. Die Bundesrepublik hat sie unbesehen übernommen. Seit 1990 erhalten die noch von der SED ernannten Antifaschisten monatlich 1.400 D-Mark beziehungsweise umgerechnet 700 Euro. Das galt auch für Margot Honecker - und gilt noch heute für die ohnehin gut berenteten hohen Parteifunktionäre.

Liegt es da nicht nahe, daß nun auch die Opfer der zweiten deutschen Diktatur eine solche materielle Würdigung ihres Widerstandes, ihrer Leiden und all ihrer anderen Benachteiligungen erwarteten? Doch schon bald wurden sie eines Besseren belehrt. Eigentlich hätten sie es wissen können: In dieser Landschaft müssen sie zweitklassige Opfer bleiben.

Als sich nämlich die Koalitionsparteien zu ihren sogenannten "Eckpunkten" durchgerungen hatten, war fortan von einer "Ehrenpension" nicht mehr die Rede. Heraus kam statt dessen ein Almosen für bedürftige ehemalige Häftlinge, "Opferrente" genannt, mit 250 Euro dotiert. Nur wer nachweislich bedürftig ist und mindestens sechs Monate in Haft war, soll sie erhalten. Das mit großen Worten als "Würdigung" angekündigte Gesetz ist nun zu einer dürftigen Sozialmaßnahme degeneriert.

Nicht nur bei den Opferverbänden, sondern auch bei zahlreichen Bundestagsabgeordneten, bei Länderregierungen und bei Bürgerrechtlern riefen diese "Eckpunkte" einen Sturm der Entrüstung hervor. Sogar die Linkspartei wollte sich durch populistisch-überhöhte Forderungen in einem eigenen Gesetzentwurf ein demokratisches Alibi verschaffen.

Bundestagsabgeordnete beteuerten daraufhin, daß es sich hier keineswegs um einen Ausdruck politisch motivierten Geizes handele. Auf Geld komme es bei dieser Maßnahme nun wirklich nicht an. Man fürchte vielmehr eine mögliche Besserstellung der SED-Opfer gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. Am 7. Mai 2007 kam es zu einer Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Bundestages. Die mehrstündige sachlich und kompetent geführte Debatte kam nach einhelligem Urteil zahlreicher Beteiligter und Zuhörer zu dem Ergebnis, daß der vorgelegte Gesetzentwurf in weiten Teilen unzulänglich und deshalb verbesserungsbedürftig ist.

Allerdings wurden die Kritiker von seiten der Koalition darüber belehrt, daß man sich nicht auf die einigungsvertragliche Übernahme der "antifaschistischen Ehrenpension" von DDR-Gnaden berufen könne. Dies sei eine in der Wiedervereinigungs-Euphorie begangene "systemwidrige" Entscheidung gewesen. Einen heute als solchen erkannten, allerdings nicht revidierbaren Fehler dürfe man nicht zum Präzedenzfall machen. Im Rechtssystem der Bundesrepublik sei nur die Entschädigung, nicht aber eine Würdigung verankert. Daran habe man sich auch bei den NS-Opfern gehalten, und deshalb könne man bei den Kommunismus-Opfern nicht anders verfahren.

Dem hat nicht nur die Wissenschaftlerin Ulrike Guckes mit Berufung auf ihre Forschungen zu den Entschädigungsleistungen für Diktaturopfer entschieden widersprochen. Unterstützung fand sie auch bei Abgeordneten der Grünen und der FDP. Die Proteste haben mittlerweile bewirkt, daß die besonders demütigende ursprünglich vorgesehene halbjährliche Wiederholung der Bedürftigkeitsprüfung wegfallen soll. Die Opfer von Stasi-Zersetzungsmaßnahmen und beruflichen Benachteiligungen bleiben jedoch auch weiterhin außen vor. Kommunistische Täter erhalten auch weiterhin ihre "Ehrenpension", ihre Opfer werden mit einem Almosen abgespeist.

Der Bundestag will das Gesetz aus symbolischen Gründen bis zum 17. Juni, dem Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR, unter Dach und Fach bringen. Die zahlreichen Proteste und kritischen Einlassungen werden jetzt kaum noch weitere Änderungen bewirken. Dazu scheint in dieser linkslastigen Landschaft auch bei "bürgerlichen" Parteien der politische Mut und der politische Wille zu fehlen.

 

Hans-Eberhard Zahn ist stellvertretender Vorsitzender des Beirats der Stiftung der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.


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