© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Meldungen

Zur Unabhängigkeit mit Lateinkenntnissen

MÜNCHEN. Auf dem US-Staatswappen, das auf allen Dollarscheinen umläuft, finden sich außer dem römischen Adler die lateinischen Inschriften "E Pluribus Unum", "Annuit Coeptis" und das bei Verschwörungstheoretikern besonders beliebte "Novus Ordo Seclorum" ("Eine neue Ordnung der Zeitalter"). Und die Unterkunft der US-Legislative, des Kongresses, befindet sich in Washington auf dem "Kapitolshügel". Diese leicht vermehrbare Zeichensetzung nimmt Georg Schild zum Anlaß, "Romrezeption und Verfassungsdenken zur Zeit der Amerikanischen Revolution" zu untersuchen (Historische Zeitschrift, Band 284/07). Die Übernahme antiker Vorstellungen durch die US-Gründerväter beruhte primär auf deren klassischer Bildung. Latein- und Griechischkenntnisse waren im kolonialen Amerika des 18. Jahrhunderts Studienvoraussetzung. Die Hälfte der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung von 1776 hat eine solche Ausbildung durchlaufen. Unter den führenden Politikern besaß allein George Washington keine Lateinkenntnisse. Die Frühgeschichte der USA sieht Schild daher diktiert durch eine "künstliche Aristokratie der Gebildeten und wirtschaftlich Erfolgreichen". Doch dieser aristokratische Republikanismus sah sich ab 1800 demokratischen Delegitimierungsversuchen ausgesetzt, die sich anfangs noch auf die Antike beriefen. Mitte des 19. Jahrhunderts hatten "Anti-Intellektualismus und Anti-Aristokratismus" soweit triumphiert, daß die Antike vom "Blockhüttenmythos" verschluckt worden sei.

 

Das Deutsche Reich als Auswanderungsland

KIEL. Wenn heute immer mehr junge Deutsche ihrer Heimat den Rücken kehren, dann gibt es dafür historische Vorbilder. Denn noch Jahre nach der Reichsgründung von 1871 war Deutschland ein Auswanderungsland. Wie im Brennspiegel erscheint dieser ökonomisch bedingte Exodus in der Geschichte der nordfriesischen Inseln. Der im dänischen Esbjerg lehrende Sozialhistoriker Martin Rheinheimer demonstriert am Beispiel Amrums den Wandel dieser "maritimen Gesellschaft" (Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 132/2007). Die "Krise der Seefahrt" führte Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst zur "Regression auf veraltete Wirtschaftsformen" (Jagd, Fischerei), bevor dann ab 1860 nur die Auswanderung zumeist in die USA übrigblieb. Zwischen 1882 und 1951 wanderte fast die Hälfte der Schulabsolventen aus Norddorf nach Übersee aus, und nur ein Viertel von ihnen kehrte wieder zurück. Daß es nicht zur gänzlichen Entvölkerung kam, ist dem Aufblühen eines neuen Wirtschaftszweiges zu danken: dem Fremdenverkehr. Auf Amrum eröffnet 1890 ein Seebad, der Tourismus wurde seitdem zur "beherrschenden Einkommensquelle" - eine "grundlegende" Entwicklung, die die gesamte Nord- und Ostseeküste erfaßte, die aber heute nicht mehr ausreicht, um die Ab- und Auswanderung etwa aus Mecklenburg-Vorpommern zu verhindern.


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