© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Rechtschaffen
Karl Heinzen

Die Finanzminister der in der "G8"-Gruppe vereinten Industriestaaten sind beunruhigt über das Treiben sogenannter "Geier-Fonds", die nach ihrer Auffassung gerade die Ärmsten der Armen unter den Entwicklungsländern noch weiter in den Ruin trieben. Die Geschäftsidee dieser Subspezies der "Heuschrecken" besteht nämlich darin, teilweise oder vielleicht auch schon ganz abgeschriebene Schulden von auch hinsichtlich ihrer Solvenz übel beleumundeten Staaten auf den untersten Plätzen der Wohlstandsranglisten aufzukaufen und diese dann vor Gericht einzufordern. Als Ahnherr des Metiers gilt der amerikanische Milliardär Paul Singer, dem es 1996 gelang, seine günstig erworbene Forderung in Höhe von 58 Millionen Dollar gegen das anfänglich renitente Peru durchzusetzen. Aufhänger der aktuellen Bestürzungskampagne ist der gerichtlich erstrittene Erfolg des Donegal-Fonds gegen Sambia, das nun endlich seine 1979 bei Rumänien aufgenommenen Schulden in Höhe von 17 Millionen Dollar begleichen muß.

Noch weiter als ihre eher zu buchhalterischer Nüchternheit neigenden Kollegen aus dem Finanzressort ist die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul gegangen. Die dienstälteste Angehörige des Merkel-Kabinetts bezeichnete das Vorgehen der "Geier-Fonds" gar als "zynisch und moralisch zutiefst verwerflich", da durch staatliche Schuldenerlasse frei gewordene Mittel, die eigentlich in Bildung und Gesundheit hätten investiert werden sollen, nunmehr in ihre Taschen flössen.

Die Empörung Wieczorek-Zeuls ist jedoch kurzsichtig und ethisch fragwürdig. Es ist sowohl in der Privatwirtschaft als auch in den zwischenstaatlichen Finanzbeziehungen jedem Gläubiger freigestellt, auf seine Ansprüche zu verzichten, wenn er dem Schuldner etwas Gutes tun will. Wer nicht von dieser hehren Absicht getragen ist, hat jedoch das Recht darauf, daß seine berechtigten Forderungen auch beglichen werden. Dieses Recht ist eine existenznotwendige Voraussetzung modernen Wirtschaftslebens, es in Anspruch zu nehmen, kann daher nie und nimmer verwerflich sein.

Die vermeintlichen "Geier-Fonds" sollten daher vielmehr als Hilfsmittel verstanden werden, Problemstaaten mit den Grundsätzen kaufmännischer Rechtschaffenheit vertraut zu machen. Die vielbeschworene "Good Governance" nimmt schließlich hier ihren Anfang. Staaten, die ihre Schulden nicht begleichen, pflegen auch die Versprechen, die Menschenrechte zu beherzigen und ihren Bürgern demokratische Mitspracherechte einzuräumen, nicht einzulösen. 


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