© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

In freier Natur
Trend: Eröffnung des ersten evangelischen Friedwalds
Georg Alois Oblinger

Der Leichnam im dunklen Holzsarg, der Friedhof rings um die Pfarrkirche und der Pfarrer am Grab - dieses klassische Modell einer Bestattung stößt auf immer weniger Interesse in der deutschen Bevölkerung. In der postchristlichen Gesellschaft läßt sich ein immer stärkerer Trend zur Individualisierung von Trauerfeiern beobachten (JF 50/05). Viele Menschen wollen heute anders bestattet werden als ihre Ahnen.

Besonders die aus der Schweiz stammende Idee des Friedwalds findet in Deutschland immer mehr Befürworter. Im Jahr 2001 wurde der erste deutsche Friedwald eröffnet; bis jetzt ist die Zahl der Friedwälder schon auf 16 angestiegen.

Ein Friedwald ist ein gewöhnlicher Wald, der von außen nicht als Friedhof erkennbar ist. Die Asche des Verstorbenen wird in einer recyclebaren Urne an einem gepachteten Baum beigesetzt, der durch einen Grundbucheintrag für 99 Jahre gegen Abholzung geschützt ist. Jeder Baum bietet Platz für bis zu zehn Urnengräber. Es kann wahlweise eine einzelne Grabstätte für 800 Euro oder ein ganzer Baum für rund 4.000 Euro gepachtet werden. Der genaue Preis richtet sich nach Alter, Art und Lage des Baumes. Damit liegt die Bestattung im Friedwald preislich deutlich unter den Beerdigungskosten auf einem klassischen Friedhof. Ebenso entfallen die Kosten für den Grabstein und die Grabpflege.

Doch das ist nicht der einzige Grund, der diese alternative Bestattungsform für viele Zeitgenossen attraktiv erscheinen läßt. Dahinter steckt vor allem eine große Naturliebe, welche nicht selten mit esoterischem Gedankengut einhergeht. Die Asche des Verstorbenen soll in den Kreislauf der Natur zurückgeführt werden und dem Baum als Nährstoff dienen. Eine pantheistische Vorstellung vom Weiterleben in der Natur findet immer stärkere Akzeptanz.

Von christlicher Seite stand man daher dem Friedwald bislang ablehnend gegenüber. In einer Handreichung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vom März 1994 hieß es, die Bestattungs-, Trauer- und Erinnerungskultur habe sich in den letzten Jahren stark verändert, Beerdigungsrituale verlören an Bedeutung. Deutliche Kritik übten die Bischöfe an der Konzeption des Friedwaldes. Sie lasse "zentrale Elemente einer humanen und christlichen Bestattungskultur vermissen". Trotz der ablehnenden Haltung der Deutschen Bischofskonferenz haben inzwischen allerdings nach Informationen der Nachrichtenagentur idea die Bistümer Trier und Fulda eine katholische Mitwirkung bei Friedwaldbestattungen erlaubt, wenn auf der Tafel mit dem Namen des Verstorbenen auch ein christliches Symbol angebracht werden darf.

In der evangelischen Kirche wurden bislang schon vereinzelt Beisetzungen im Friedwald vorgenommen. Doch jetzt ist eine völlig neue Situation geschaffen. Bei strahlendem Sonnenschein hat am 20. Mai der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich (München) im unterfränkischen Rödelsee im Landkreis Kitzingen auf dem Schwanberg den ersten evangelischen Friedwald Deutschlands eröffnet. Der Eichen- und Buchenwald gehört der evangelischen Pfründestiftung, die an die FriedWald GmbH lediglich das Bestattungsrecht verpachtet hat. Von den bislang existierenden Friedwäldern unterscheidet dieser sich in drei Punkten: Ein großes Holzkreuz steht am Eingang und soll den christlichen Charakter unterstreichen; auch die Friedhofsordnung enthält einen Passus, nach dem die dort stattfindenden Handlungen nicht gegen christliches Empfinden verstoßen dürfen. Und soll es dort keine namenlose Bestattung geben. An den Bäumen werden Namensplaketten angebracht, auf denen auch christliche Symbole eingraviert werden können. Und schließlich ist im Gegensatz zu anderen Friedwäldern auch eine seelsorgliche Begleitung der trauernden Angehörigen vorgesehen. Diese soll durch die auf dem Schwanberg ansässigen evangelischen Schwestern von der Communität Casteller Ring erfolgen.

FriedWald-Geschäftsführerin Petra Bach ist ganz begeistert von der Verbindung von Naturbestattung und Christentum: "Die Schwestern ... werden ganz sicher menschliche Geborgenheit vermitteln. Sie werden aber auch denjenigen, die danach suchen, helfen, Geborgenheit und Vertrauen auf Gott zu finden. Die Geborgenheit in der Natur aber schafft der Wald durch seine bloße Existenz." Die Religion scheint zu einem schmückenden Beiwerk geworden zu sein; das Eigentliche leistet die Natur.

Ob der Spagat, den die evangelische Kirche mit der Eröffnung ihres ersten Friedwalds versucht, gelingen wird, darf bezweifelt werden. Kann hier noch eine christliche Botschaft vermittelt werden, oder ist der Friedwald ein weiteres Zugeständnis an die Esoterik?

Für den evangelischen Dekan Michael Höchstädter (Fürth) mache sich die Kirche damit zum "Türöffner für esoterische Bestattungsformen". Auch dem Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, dem evangelischen Theologen Reiner Sörries, geht die bayerische Landeskirche mit der Einrichtung des Friedwalds auf dem Schwanberg zu weit. Seiner Ansicht nach sollte die Kirche stärker in ihre Friedhöfe investieren als in eine Grabform, die mit Esoterik, indianischen und keltischen Einflüssen sowie antiker Mythologie zu tun habe.


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