© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Frisch gepresst

Ernst Barlach. Man muß Mut haben, um ein Buch über das künstlerische Multitalent Ernst Barlach zu schreiben. Und ganz viel Mut, wenn man Barlachs letzte Jahre zwischen 1933 und 1938 ins Visier nehmen möchte. Denn darüber kann sich nicht nur jeder im dicken zweiten Band der seit 1969 vorliegenden Ausgabe der Barlach-Briefe informieren. Auch die Sekundärliteratur zu Barlach wie überhaupt zur Problematik der künstlerischen "inneren Emigration" im Dritten Reich ist recht stattlich. Trotzdem hat der US-Kunsthistoriker Peter Paret den "Mut zu Barlach" aufgebracht und einen lesenswerten, einen typisch angelsächsischen, stilistisch gelungenen Großessay über den Güstrower Bildhauer vorgelegt (Ein Künstler im Dritten Reich. Ernst Barlach 1933-1938, wjs-Verlag, Berlin 2007, gebunden, 240 Seiten, Abbildungen, 18 Euro). Ungeachtet stark ausgeprägter Neigung zu moralisierender Parteinahme gibt sich Paret Mühe, Barlachs Ausgrenzung im Prozeß des nationalsozialistischen "Binnen-Diskurses" über das Verhältnis der "Bewegung" zur Moderne nachzuzeichnen. Adolf Hitler, der "wie kein Staatsoberhaupt im 20. Jahrhundert" die Kunst ernst genommen habe, brauchte bis 1936, um sich zu entscheiden, daß für eine Ästhetik wie die Barlachs kein Platz in seinem Reich sein könne. Dessen "grübelnde Menschen, die auch in der Gruppe allein und in sich gekehrt sind", würden kaum zur Eingliederung in die "Volksgemeinschaft" ermuntern.

 

Volkstumspolitik. In seiner bei Hans Mommsen angefertigten Dissertation beschäftigt sich Markus Leniger mit dem, was der "Sänger Himmlers", Hanns Johst, in einer Broschüre 1940 als "Ruf des Reiches, Echo des Volkes" verklärt hat: die Umsiedlung der Deutschen aus dem Machtbereich Stalins (Nationalsozialistische "Volkstumsarbeit" und Umsiedlungspolitik 1933-1945. Von der Minderheitenbetreuung zur Siedlerauslese. Verlag Frank & Thimme, Berlin 2006, broschiert, 252 Seiten, 29,80 Euro). Leniger betritt kein zeithistorisches Neuland, aber er trägt aus den Akten doch mehr zusammen als seine Vorgänger, ohne daß sich sein Fazit von anderen Urteilen über die in Himmlers Zuständigkeit fallende "Heimkehr ins Reich" abhöbe. Zudem bekräftigt er das sattsam bekannte Fehlurteil, wonach diese Aktion als "Modell" für die "ethnischen Flurbereinigungen" jenseits von Oder und Neiße gedient habe, die er - ebenso falsch - als "Ausweisung der deutschen Bevölkerung aus Polen" bezeichnet.


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