© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Der Armee gehen die Rekruten aus
Bundeswehr II: Zahl der Bewerber aus den östlichen Bundesländern geht zurück / Qualität des Nachwuchses gibt Anlaß zur Sorge
Paul Rosen

Der Bundeswehr geht der Nachwuchs aus. Und die jungen Männer, die noch die Uniform anziehen, werden zunehmend dicker und dümmer. Das Verteidigungsministerium spielt die Entwicklung herunter. "Wir sehen uns für die Zukunft gut aufgestellt und attraktiv", sagte ein Sprecher. Das Gegenteil ist richtig.

Nach den eigenen Erhebungen der Bundeswehr betrug die Zahl der 18jährigen Männer, die im vergangenen Jahr für den Wehrdienst in Frage kamen, in ganz Deutschland rund 450.000. Im kommenden Jahr wird die Zahl wegen des Geburtenrückgangs zunächst leicht sinken. Dramatisch wird es aber ab 2009.

Dann geht die Zahl auf 400.00 zurück, und ab 2010 wird es nur noch 350.000 junge Männer geben, die für den Wehrdienst in Frage kommen. Das allein wäre eigentlich kein Problem. Es sind die Zahlen aus den östlichen Bundesländern, die den Verantwortlichen der Bundeswehr die Haare zu Berge stehen lassen.

Die Wende von 1989 hat im Gebiet der ehemaligen DDR zu einem erheblichen Geburtenrückgang geführt. Und genau dort hat die Bundeswehr in den vergangenen Jahren in erster Linie ihren Nachwuchs rekrutiert. So sagte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Bernhard Gertz: "Es ist tatsächlich so, daß wir uns in den letzten 15 Jahren erheblich mit Bewerbern aus den neuen Bundesländern eingedeckt haben." Ein Drittel des Bundeswehr-Nachwuchses kommt aus den neuen Ländern, obwohl dort nur 20 Prozent der deutschen Bevölkerung wohnen. Im letzten Jahr betrug die Zahl der 18 Jahre alten Männer in den neuen Ländern noch 120.000. Sie halbiert sich in den nächsten zwei Jahren und fällt danach weiter ab.

Bereits im vergangenen Jahr wies der Leiter des Nachwuchszentrums Ost der Bundeswehr, Olaf Bendrat, darauf hin, daß die Qualität der Bewerber für den Dienst bei der Truppe schlechter werde. Von vielen Schulen würden Gefälligkeitszeugnisse für die Abgänger ausgestellt. In Tests bei der Truppe stellt sich dann heraus, daß die guten Noten in Deutsch oder Mathematik nicht der Realität entsprechen.

Inzwischen wurden, von der Öffentlichkeit unbemerkt, die Anforderungen für den soldatischen Dienst abgesenkt, um Engpässe bei der Nachwuchsgewinnung zu vermeiden.

Sportergebnisse werden nach oben korrigiert

Außerdem berichtet der Sanitätsdienst der Bundeswehr bereits seit längerem von einem schlechter werdenden Gesundheitszustand der jungen Männer: zu wenig Bewegung durch stundenlanges Sitzen am Computer, falsche Ernährung, zu starker Konsum von Alkoholika und Tabakwaren. Die Kommandeure lösen das Problem auf ihre Art. Es ist in der Truppe ein offenes Geheimnis, daß die Sportergebnisse der Wehrpflichtigen und Soldaten nach oben korrigiert werden, damit die Einheit nicht unter die Durchschnittsgrenze sinkt. Der Nachbarkommandeur macht es genauso, weiß man, und niemand will der obersten Führung die Wahrheit über den Gesundheitszustand der Truppe sagen.

Obwohl Berichte über die negative Entwicklung in den Schubladen des Verteidigungsministeriums schlummern, sagt man dem Minister dort offenbar nicht die Wahrheit. So erklärte Franz Josef Jung vollmundig bei einem Besuch des Zentrums für Nachwuchsgewinnung Ost im vergangenen Jahr: "Ich gehe nicht davon aus, daß wir 2009 Lücken haben."


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