© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Meldungen

Rußland: Wille zur Weltmacht ungebrochen

BERLIN. Rußlands Außenpolitik gleiche in den letzten Monaten der Präsidentschaft Putins einem "Zickzackkurs". Gleichwohl, so glaubt die an der Moskauer Hochschule für Internationale Beziehungen lehrende Lilija Sevcova, sei der "Wille zur Weltmacht" ungebrochen (Osteuropa, 4/07). Auch unter Putins Nachfolger würden die "rußländischen Eliten" bestrebt sein, die von ihnen als "Einmischung in den postsowjetischen Raum" zwischen Baltikum und Usbekistan wahrgenommene US-Politik einzudämmen und die USA mindestens aus Zentralasien wieder hinauszudrängen. Die Chancen dafür stünden nicht schlecht, da die USA nicht nur durch den Irak-Krieg und ihr "Iran-Problem" in eine Lage geraten seien, in der "jeder beliebige" Versuch, Rußland unter Druck zu setzen, "zum Scheitern verurteilt ist". Der Rückfall in die alte weltpolitische Großmachtkonkurrenz lasse sich, wie die auch für die Carnegie-Stiftung tätige Sevcova meint, nur verhindern, wenn Rußland zu "demokratischen Standards" finde und die USA sich von ihrem "militärgestützten Hegemonialstreben" abkehrten.

 

Grenzräume: Ethnizität und Gewalt seit 1848

MARBURG. Deutsch, die Sprache des Ostpreußen Johann Gottfried Herder, war einst die Lingua franca Osteuropas. Daran - sowenig wie an den Namenspatron - scheint sich im Marburger Herder-Institut niemand zu erinnern, wenn mit US-Einrichtungen für den 17. und 18. Mai zu einer Tagung über "Ethnicity, Identity and Violence in the Shatter Zone of Empires Since 1848" geladen wird und die Vorträge ausschließlich in englischer Sprache zu hören sind. Dan Diner eröffnet die Veranstaltung ("Modern Jewish History and Europe's Borderlands"), auf der die Ukraine und der Balkan im Mittelpunkt stehen. Omer Bartov stellt neue Forschungen über "innerethnische Beziehungen" und Gewalt in Grenzräumen vor, Stephen Feinstein wendet sich dem europäischen Holocaust-Gedenken mit Blick auf Osteuropa zu, Alexander Prusin spricht im Rahmen eines von Gary Cohen geleiteten "Workshops" über Pogrome in Ost-Galizien 1914/15 und 1941.

 

Sanfter Tourismus statt maritimer Kultur

KIEL. Die maritime Kultur an Nord- und Ostsee ist heute nur noch in Schiffahrtsmuseen zu besichtigen. Was lebendig ist, ist der "Betrieb" der Häfen in Hamburg, Bremen oder Lübeck. Wie es zu dieser Abkopplung der "Dienstleistung" in wenigen Hafenzentren von der Lebenswelt der Küstenbewohner im Laufe des 19. Jahrhunderts kommen konnte, schildert am Beispiel Amrums, der schönsten Nordseeinsel, Martin Rheinheimer (Syddansk Universitet Esbjerg) über die "Maritime Gesellschaft im Wandel" (Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 132/2007). Die Krise der Seefahrt hat dort im 19. Jahrhundert die kleine Inselgesellschaft nachhaltig erschüttert. In Norddorf etwa wanderten, durch wirtschaftliche Not getrieben, nach 1882 fast die Hälfte aller Schulabsolventen in die USA aus. Kein Wunder, daß der Seebäder-Tourismus so erfolgreich in diese keineswegs mehr blühende Landschaft Einzug hielt und zur "beherrschenden Einkommensquelle" wurde, die inzwischen im Zeichen des "sanften Tourismus" jegliche Form der Naturvernutzung, so die früher so beliebte Seehundjagd, nur noch als Straftatbestand akzeptiert.

 

Erste Sätze

Für die Ewigkeit, so verkündete man damals, werde jetzt in Versailles die unwandelbare Gerechtigkeit der europäischen Landes- und Machtgrenzen festgelegt.

René Martel: Deutschlands blutende Grenzen, Oldenburg, 1930


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