© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Frisch gepresst

Johannes Popitz. "Für die Deutschen war es ein Glück, daß der nationalkonservative Widerstand um Popitz im Deutschland der Nachkriegszeit keine politische Rolle gespielt hat." So klingt die Biographie des preußischen Finanzministers aus, die der 1927 geborene langjährige Präsident des Hamburger Finanzgerichts Reimer Voß über seinen im Februar 1945 wegen der "Beteiligung am 20. Juli" hingerichteten älteren Kollegen vorlegt: Johannes Popitz (1884-1945). Jurist, Politiker, Staatsdenker unter drei Reichen - Mann des Widerstands (Peter Lang Verlag, Frankfurt/Main 2006, broschiert, 376 Seiten, Abbildungen, 56,50 Euro). In der Rückschau, von der bequemen Blankeneser Terrasse des wohlversorgten Staatspensionärs aus, muß sich Popitz als Exponent des konservativen Widerstands vorhalten lassen, daß er zuviel an den Staat, die Nation, das Volk gedacht habe, zu wenig an die "Menschenrechte". Das ist so apolitisch wie ahistorisch argumentiert, bewegt sich aber in bester bundesdeutscher Tradition, die durch die von Voß gepriesene "nicht unbeträchtliche Entwicklungshilfe der westlichen Alliierten" begründet worden sei. Um den Irrweg davor am - negativen - Beispiel Popitz' zu demonstrieren, traktiert Voß den Leser mit seinen Lesefrüchten zur deutschen Geschichte, die er aus Winkler, Bracher, Kershaw usw. zusammengetragen hat. Popitz erscheint dahinter mitunter wie ein Schattenmann, seine Widerstandsaktivitäten werden auf dreißig Seiten zusammengedrängt, der Weggefährte Carl Schmitt erhält, gestützt auf die Einsichten des Sykophanten Bernd Rüthers, bei jeder Gelegenheit Tritte, und am Ende darf halbwegs nur zufrieden sein, wer ein wenig über den Steuerrechtler Popitz orientiert sein wollte. Das Werk enthält zudem eine ungewöhnlich große Zahl von Fehlern und Falschschreibungen, unter denen eine auf den Herbst 1942 datierte Warnung des im Februar 1942 tödlich verunglückten Rüstungsministers Fritz Todt besonders peinlich hervorsticht.

Kanzlerbunker. Am Mittwoch letzter Woche wurde im früheren Regierungsbunker im Ahrtal bei Bonn Richtfest für ein bundesweit einmaliges "Museum des Kalten Krieges" gefeiert. Da die zwischen 1960 und 1972 als "Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesregierung" angelegte Zufluchtsstätte vor einem atomaren Krieg Ende der neunziger Jahre zur Sanierung anstand, für die mindestens 93 Millionen Mark veranschlagt wurden, fiel 1999 der Entschluß, die umfangreiche Anlage "zurückzubauen". Weniger bekannt ist, daß der Bunker in der östlichen Eifel auf eine ältere Geschichte zurückblickt, wie der Regionalhistoriker Wolfgang Gückelhorn aufzeigt. Während des Ersten Weltkriegs als Eisenbahntunnel zur Versorgung der Westfront geplant, wurde das unfertige Projekt ab 1933 zur großangelegten Pilzzucht genutzt. 1943 erinnerte man sich der bombensicheren Stollen, in denen dann bis Ende 1944 Soldaten, Zwangsarbeiter und Häftlinge des KZ Buchenwald an der Konstruktion der V2-Rakete arbeiteten (Die Geschichte des Bonner Regierungsbunkers im Ahrtal. Bau, Nutzung, Rückbau 1915-2007. Helios Verlag, Aachen 2007, gebunden, 63 Seiten, Abbildungen, 9,90 Euro).


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