© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Oligarch ohne Kronprinz
USA: Der langjährige Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Edgar Bronfman, hat seinen Rücktritt erklärt
Ivan Denes

Am 4. Mai ließ er durch seinen Sprecher erklären, er beabsichtige nicht vor Auslaufen seines Mandats im Jahr 2009 von der Spitze des Jüdischen Weltkongresses (WJC) zurückzutreten. Am 7. Mai, nachdem er im sechsköpfigen Lenkungsausschuß des WJC seinen Willen nicht mehr durchsetzen konnte, war es dann soweit: Edgar Miles Bronfman sen. erklärte nach 26 Jahren als WJC-Präsident seinen Rücktritt.

Vorausgegangen waren heftige Auseinandersetzungen zwischen dem 77jährigen und seinem WJC-Generaldirektor Stephen Herbits einerseits und verschiedenen europäischen und israelischen Zweigorganisationen andererseits. Anlaß war die im März erfolgte spektakuläre Entlassung von Bronfmans langjährigem Weggefährten Rabbi Israel Singer (JF 13/07).

Der Zwist begann vor drei Jahren, als aufgrund von Warnungen der schweizerischen jüdischen Gemeinde der damalige New Yorker Generalstaatsanwalt (und jetzige Gouverneur des Staates New York) Elliot Spitzer verfügte, daß Singer nicht weiter die Finanzen der Organisation handhaben solle. Scheinbar hielt sich Singer nicht an diese Auflagen. Er soll Gelder von israelischen und südamerikanischen Konten des WJC abgehoben und überzogene Reisekosten abgerechnet haben. Es sollen bis zu fünf Millionen Dollar fehlen.

Seinem Mentor Israel Singer blieb er bis fast zuletzt treu

Bronfman hielt trotz Kritik an seinem geistigen Mentor fest. In seinen beiden autobiographischen Büchern ("The Making of a a Jew" und "The Making of a Businessman") schrieb er mit höchster Ehrfurcht über Singer, der ihn, den schon halbassimilierten Sohn des größten kanadischen Bootleggers (Alkoholschmugglers in den Jahren der Prohibition) in Judaistik eingeführt hatte. Bronfman und Singer hatten gemeinsam in den Breschnew-Jahren erfolgreich für das Auswanderungsrecht der Sowjetjuden gekämpft.

Die Wahl Kurt Waldheims zum österreichischen Präsidenten konnten sie zwar nicht verhindern, aber die Schweizer Banken mußten im Konflikt um die "schlafenden Konten" einem 1,25 Milliarden-Dollar-Vergleich zustimmen. Die deutsche Wirtschaft leistete nach den Entschädigungsverhandlungen für NS-Zwangsarbeiter Milliardenzahlungen. Singer hielt den Vorsitz der Claims Conference, die jüdische Ansprüche gegen Deutschland und Österreich vertritt. Bronfman war Chef der World Jewish Restitution Organisation, die sich um Forderungen in anderen Ländern kümmert.

Der Unternehmer Bronfman (bis 1994 Chef des vom Vater übernommenen Konzerns Seagram) deckte laut eigener Aussage 15 Prozent des WJC-Etats. Als es zum Eklat kam, beklagte Bronfman lautstark, Singer habe sich auch an "meinem Geld" vergriffen.

Bronfman wollte einen seiner Söhne, Matthew, zum eigenen Nachfolger aufbauen. Singer soll die Kandidatur von Ronald Lauder, dem Erben des Kosmetikimperiums Estée Lauder betrieben haben. Schließlich stellte sich heraus, daß Matthew Bronfman nicht kandidieren kann, weil er in eine Affäre um die Leitung der Israel Discount Bank verwickelt wurde. Im März platzte dann Bronfman der Kragen. Er feuerte Singer und gab dies in einem Rundtelefonat bekannt - die Teilnehmer am anderen Ende der Leitung hatten nicht die Möglichkeit zum Widerspruch.

Zahlreiche Mitgliedorganisationen, allen voran die israelische und der Europäische Jüdische Kongreß unter Pierre Besnainou akzeptierten Bronfmans Alleingang nicht - der milliardenschwere Oligarch muß nun abtreten. Die provisorische Führung übernimmt Mendel Kaplan, Chef der WJC-Exekutive. Am 10. Juni wird der Board of Governors dann den neuen Präsidenten wählen.


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