© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

Ohne Ausländer geht es nicht
Afghanistan: Eine Berliner Fotoausstellung zeigt ungewohnt optimistische Bilder vom Hindukusch / "Auf Clanstrukturen zurückgegriffen"
Christian Dorn

Er war eine wilde Bestie, die kein Menschenleben verschont hat", erklärte der Gouverneur der afghanischen Provinz Kandahar, Assadullah Khailid, am Wochenende anläßlich der Präsentation der kugeldurchlöcherten mutmaßlichen Leiche von Mullah Dadullah. Das Mitglied des zehnköpfigen Taliban-Rates soll zuvor bei Kämpfen mit US-Truppen in der Provinz Helmand gefallen sein. Der Taliban-Militärchef im umkämpften Süden Afghanistans werde "ganz sicher mit der Zeit ersetzt, aber der Aufstand der Taliban hat einen schweren Schlag erlitten", erklärte die Nato-Schutztruppe Isaf.

Optimistischere Bilder präsentiert derzeit die Berliner Cicero-Galerie für Politische Fotografie. Unter dem Titel "Return, Afghanistan" wird eine Bilderstrecke des in Afghanistan geborenen Fotografen Zalmaï gezeigt. Nach 22 Jahren Exil in der Schweiz ist er 2001 zurückgekehrt, um für das UN-Flüchtlingskommissariat "die Entschlossenheit und den Mut einer Bevölkerung zu erfassen", die trotz unfaßbarer Entbehrungen und Schicksalsschläge "ihre Würde nicht verloren" hat, wie es Gottfried Köfer vom UNHCR formulierte.

Unter den Taliban habe es nur einen Radiosender (ohne Musik) gegeben, heute gebe es derer vierzig sowie sieben Fernsehstationen. Zwar gingen bislang nur vierzig Prozent der Kinder in die Schule, jedoch ist der Anteil von Mädchen und Jungen in der Grundschule gleichgroß, erklärte Maliha Zulfacar, afghanische Botschafterin in Berlin. Als Gast der Ausstellungseröffnung hatte sie - ohne Kopftuch - das Bild eines fast westlichen Landes präsentiert. Als sie dann aber beklagte, daß Afghanistan der weltgrößte Drogenproduzent sei, verschwieg sie, was vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion über Deutschlands Position in Afghanistan Citha Maass von der Stiftung Wissenschaft und Politik aussprach: daß der Bruder von Präsident Hamid Karzai zu den einflußreichsten Drogenbaronen gehöre. Wolle man Südafghanistan, das durch große Paschtunenstämme dominiert wird, nicht dem Chaos überlassen, müsse man auf die - ohnehin wirkungslosen - Verwaltungsapparate Karzais verzichten. Die traditionellen Stammesführer und Mullahs müsse man aus ihren diffusen Allianzen mit den Taliban herauslösen - indem man ihnen direkt wirtschaftliche Entwicklungsmaßnahmen anbietet. Der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey, klagte hingegen: "Welchen Sinn macht unsere Arbeit noch, wenn unsere Vorschläge für die Besetzung von polizeilichen Führungspositionen von der Regierung in Kabul blockiert werden und statt dessen auf Clanstrukturen zurückgegriffen wird?" Der außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sprach sich gegen einen Rückzug vom Hindukusch aus. Denn die entsprechende Argumentation kenne er aus Deutschland: Wenn die blöden Ausländer weg seien, werde wieder alles gut. Das funktioniere auch in Afghanistan nicht.

Die Fotoausstellung "Return, Afghanistan" ist noch bis 3. Juni in der Cicero-Galerie, Rosenthaler Straße 38, 10178 Berlin zu sehen. Telefon: 030 / 70 08 10 42

Foto: Werbeplakat für US-Filmstar Arnold Schwarzenegger: Nur vierzig Prozent der Kinder gehen in die Schule - die Hälfte sind wieder Mädchen


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen