© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Meldungen

Detektivische Aura: Königsberger Bücher

STUTTGART. Ende April wurde vom Münchner Auktionshaus Zisska&Schauer eine lateinische Perlschriftbibel aus dem späten 13. Jahrhundert versteigert, die, wie es in der FAZ dazu lapidar hieß (21. April 2007), "bis 1945 in der Stadtbibliothek zu Königsberg in Preußen stand". Auf welchen vermutlich nach Rußland oder Polen führenden Wegen diese Rarität an die Isar gelangte, ist unklar. Daß ostpreußische Buch- und Bibliotheksgeschichte heute aber stets eine detektivische Aura umgibt, beweist einmal mehr die Miszelle des Marburger Germanisten Ralf G. Päsler über einen neuen "Textzeugen des 'Granum Sinapis'" aus der Königsberger Dombibliothek (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 1/07). Päsler, dem wir umfangreiche Kataloge der verschollenen Königsberger Handschriftenbestände verdanken, spürte diesen "Textzeugen" eines mehrfach überlieferten mystischen Gedichtes in der Universitätsbibliothek von Thorn/Torún auf, wo auch sonst recht viel aus Königsberger Regalen "angespült" wurde. Das in deutscher Sprache abgefaßte "Granum sinapis" hat sich in einer Handschrift enthalten, die ursprünglich in der Dom-, dann in der Schloß- und endlich in der Universitätsbibliothek verwahrt wurde, bevor sie nach 1945 in polnische Hände fiel. Nach München hat sie den Weg bislang noch nicht gefunden.

 

Vorbewußtes Wissen: Vermessung der Engel

MÜNCHEN. Je kleiner die Iris, desto höher organisiert ist das Lebewesen. Ein Vergleich zwischen dem Auge des Krokodils, der Gemse und des menschlichen Säuglings macht das deutlich. Als sich die Anatomie als Wissenschaft zu organisieren begann, fiel dies dem universal begabten Goethe-Freund Carl Gustav Carus auf. Allerdings fiel diesem kunstbeflissenen, aber ebenso exakt nachmessenden Naturwissenschaftler auch auf, daß die Engel auf einem Gemälde Fra Angelicos die kleinste Iris hatten. Eigentlich konsequent, wenn die Irisgröße als Indikator höherer oder niederer Organisation gilt und Engel als himmlische Wesen auf der scala naturae über den Menschen stehen. Nur: Wie konnte ein Maler des 15. Jahrhunderts über die Einsichten der vergleichenden Anatomie des 19. Jahrhunderts verfügen? Auf ihrem Parforce-Ritt durch die Kunstgeschichte, der allzu trivial wieder bei Aby Warburg endet, versucht Sigrid Weigel diesem frappierenden Befund beizukommen (Zeitschrift für Kunstgeschichte, 1/07), ohne jedoch das Rätsel der "Kunst als Vorbewußtes der Wissenschaft" zu lösen. Statt dessen darf der Leser ihrer wilden, verwegenen Jagd durch Bilderwelten folgen, die ihn zwar vor lauter Aporien stellt, ihn aber aufgescheucht-neugierig zurückläßt.

 

Erste Sätze

Es ist eine alte Klage, daß die Einzelnen ebensowenig wie die Völker aus der Geschichte lernen wollen.

Bernhard Schwertfeger: Das Weltkriegsende. Gedanken über die deutsche Kriegsführung, Potsdam, 1937


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