© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Frisch gepresst

Ernst Troeltsch. Auch der 1923 gestorbene Geschichts- und Religionsphilosoph Ernst Troeltsch machte Ende des 19. Jahrhunderts die damals schon recht verbreitete Erfahrung, daß es mit der "Absolutheit des Christentums" vorbei sein könnte. Damit wollte sich der junge protestantische Theologe natürlich nicht so richtig abfinden, und er widmete sein Gelehrtenleben der Suche nach neuer Glaubensgewißheit jenseits von "Historismus" und "Relativismus". Da sich hundert Jahre später die geistige Lage nur insoweit verändert hat, daß die verbliebene Christenheit durch den vom Historismus noch unerschütterten Islam massiv herausgefordert wird, bleibt Troeltsch ein aktueller Denker. Natürlich auch, weil sein auf den alles relativierenden Historismus antwortendes Konzept der "Kultursynthese" als Versuch verstanden werden kann, einen "gemeineuropäischen Bestand kultureller Normativität" zu erschließen, wie das der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf in dem von ihm edierten ersten Band der neuen "Troeltsch-Studien" exponiert, dabei die etwas wunderliche Meinung vertretend, dies sei die "einzige Europakonzeption, die ein deutscher Intellektueller angesichts der Erfahrungen von Krieg und Revolution" nach 1918 entwickelt habe ("Geschichte durch Geschichte überwinden". Ernst Troeltsch in Berlin, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006, gebunden, 352 Seiten, 44,95 Euro).

Maria Callas. Der prächtig ausgestattete Bildband über die Mittelmeerkreuzfahrt von Maria Callas im Sommer 1959 setzt ein wie Hollywoods "Mord im Orientexpreß". Wie dort auf dem Bahnsteig haben hier die Reisenden ihren ersten großen Auftritt an der Gangway. Die Primadonna assoluta steht hierbei aber keineswegs im Vordergrund. Interessanter scheint zunächst der Reiseveranstalter Aristoteles Onassis, Reeder und Milliardär, der seine Luxusyacht für einen Abstecher in die griechische Inselheimat anbietet. Und Sir Winston Churchill, der britische Ex-Premier, alkoholselig, in Begleitung seines Papageis Toby, von Frau, Tochter, Krankenschwester und Leibwächter. Allein die Bilder dieser vom Whiskey erschütterten Ruine machen die von Ricci Tajani komponierte "Biographie einer Reise" (Maria Callas. The Cruise '59. Schott Music, Mainz 2006, gebunden, 176 Seiten, Abbildungen, 39,95 Euro) sehenswert und nähren die Erwartung, daß es der Verfasserin gelungen sein könnte, nicht nur das "europäische Jetset-Leben" vergangener Tage einzufangen, sondern dies zu einem Ausschnitt der Kulturgeschichte der fünfziger Jahre zu verdichten.

Thomas Mann. Ein Künstler ist soviel wert wie sein Manager. Der deutsche Großschriftsteller Thomas Mann (1875-1955) mußte da keine Sorgen haben, denn Ehefrau Katia, das "Mielein", zeigte ganz außergewöhnliche Talente, wenn es darum ging, den "Zauberer" zu vermarkten - weit über sein irdisches Virtuosentum hinaus. Von strategischer Bedeutung war daher nach "Tommys" Tod die öffentliche Präsenz der Hinterlassenschaft. Zu diesem Zweck wurde 1956 das Züricher Thomas-Mann-Archiv eingerichtet, nicht in der von Katia Mann noch lange bewohnten Kilchberger Villa, sondern (ab 1961) im historischen Bodmer-Haus. Als "Thomas-Mann-Gedächtnisstätte", ausgestattet mit den Utensilien des Arbeitszimmers, mit der Bibliothek und mit dem Nachlaß, ist es seitdem Anlaufstelle für "Literaturwissenschaftler aus aller Welt", die seit 50 Jahren dafür sorgen, daß Person und Werk des Erblassers multimediale Aufmerksamkeit genießen. Der jetzige Archiv-Chef Thomas Sprecher stellt zum Jubiläum die Geschichte dieser Institution dar, die zugleich ein Stück vor allem bundesdeutscher Zeit- und Geistesgeschichte ist (Im Geiste der Genauigkeit. 50 Jahre Thomas-Mann-Archiv, Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt/M. 2006, gebunden, 576 Seiten, Abbildungen, 74 Euro).


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