© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

CD: Pop
Dritter Frühling
Dominik Tischleder

In Frankreich gibt es den Ausdruck "Yéyé", es ist dem englischen "Yeah" nachempfunden, vielleicht in der Art, wie es die Beatles in ihrem Lied "She Loves You" intonierten. Daran angelehnt bezeichnet es ein Genre französischsprachiger Popmusik zwischen Chansons und mädchenhaftem Pop, welches vor allem in den sechziger Jahren trotz der Dominanz des Englischen in diesem Metier auch international große Erfolge feierte. Die große Institution des Yéyé war neben France Gall immer schon Françoise Hardy. Erste Erfolge feierte sie bereits 1962 als gerade achtzehnjährige Abiturientin mit zarten Chansons über die Suche nach Liebe.

Hardy war in den ersten Jahren ihres Erfolges schwer einzuordnen, im Vergleich zu den Rolling Stones oder den Beatles war sie kein bißchen aufsässig, dennoch wirkte Hardy mit ihren edlen Jeans, der Lederjacke und der langen blonden Mähne nicht wie ein Schlagerpüppchen, das sich ihre Lieder und Texte von anderen schreiben ließ. Nein, sie sang meist selbstkomponierte Lieder, teilweise sogar auf deutsch, um, wie sie bekannte, ihre Zuneigung zur deutschen Kultur auszudrücken. Ihr Lied "Frag den Abendwind" rühre Mitte der Sechziger die deutschen Jugendlichen zu Tausenden. Die Bravo wählte sie 1966 zur zweitbesten Sängerin. Es folgten Konzertreisen durch Deutschland und einer damaligen Mode entsprechend gemeinsame Schallplatten mit Udo Jürgens, eine Seite er, eine Seite sie. Zu einer wirklichen Zusammenarbeit zwischen ihr und Udo Jürgens kam es jedoch bis heute nicht.

Hardys Erfolg ließ zumindest bei uns in den Siebzigern etwas nach, doch in ihrer Heimat blieb sie stets populär, auch wenn aufgrund einer akuten Bühnenangst Auftritte nur noch sehr spärlich gesät waren. Inzwischen erlebt die einstige Sechziger-Jahre-Ikone mit 63 ihren dritten Frühling. Ihr jüngstes Album "(Parenthèses ...)", in Frankreich schon vor Weihnachten erschienen, bei uns nun vier Monate später, ist zweifellos ein Album voller sinnlich würdevoller Chansons, ihr bestes seit Jahrzehnten.

"(Parenthèses ...)" bietet genau das, was die Welt musikalisch von Frankreich erwartet: Liebeslieder in Form von zwölf männlich-weiblichen Duettgesängen. Ihre männlichen Gäste sind durchweg bekannte Sänger und Schauspieler, darunter auch Alain Delon und Julio Iglesias. Das alles beherrschende Leitmotiv natürlich l'amour, vor allem die verflossene, was bleibt übrig von unseren Lieben? Zum Mitsingen eingeladen hat sie viele Vertreter der neueren französischen Chanson-Generation (Benjamin Biolay, Henri Salvador), so ist gerade dadurch "(Parenthèses ...)" ein generationsübergreifendes Chanson-Album geworden, als gelte es zum letzten Mal der Welt zu demonstrieren, wie unwiderstehlich diese französische Kunstform ist. Unzweifelhafter Höhepunkt des Albums, auch lyrisch, ist ihr Duett mit Schauspieler Alain Delon, "Modern Style", ein Lied über die Irrungen der Liebe im Spiegel des Weltgeschehens. Delon, dem in letzten Jahren zunehmend der Ruf eines "Anarchiste de droite" anhaftet, beweist, daß er auch mit seiner dunklen Stimme brillieren kann, als Hörer mag man sich gar nicht entscheiden, ob er hier geradezu archetypisch das männliche Prinzip des Unbewegten Bewegers vorführt, um den sich die sinnliche Stimme Hardys rankt, oder doch nur einen liebevollen Brummbär mimt.

"(Parenthèses ...)" lotet das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Mann und Frau kräftig aus und bietet eine Vielzahl mysteriöser und sinnlicher Lieder, aber durchaus auch einiges, was vielleicht zu sentimental oder kitschig geraten ist. Gewisse Längen werden von den großen Momenten allemal aufgewogen - und wer möchte leugnen, das zu einem Album über die Liebe eben dies alles auch gehört?


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