© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

WIRTSCHAFT
Der IWF wird noch gebraucht
Wilhelm Hankel

Präsident Hugo Chávez will die Mitgliedschaft Venezuelas beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank aufkündigen. "Wir wollen unser Geld zurückhaben, bevor sie es uns stehlen." Er sieht in beiden Instituten Handlanger des US-Kapitals. Die Pointe ist, daß der linke US- und Kapitalismusfeind eine Forderung aufgreift, die die US-nahe Finanzoligarchie seit langem erhebt: Weg mit dem letzten Aufseher am globalen Geld- und Kapitalmarkt! Der IWF ist ihr als (wenn auch schwacher) Währungspolizist gründlich verhaßt. Dumm nur, daß gerade der IWF keine Domäne von US-Interessen ist; an seiner Spitze steht traditionell (und anders als bei der Weltbank) ein Europäer. Sein Auftrag lautet auch nicht, Projekte des Großkapitals zu fördern, sondern Staaten, die in Devisennöte geraten sind, mit Überbrückungskrediten zu helfen. Wörtlich heißt es im Statut von 1945, im Vordergrund stehe dabei "die Sicherung von Realeinkommen und Beschäftigung".

Die Sanierungsbilanz der Welt-Finanzhilfestation kann sich sehen lassen. Bevor es sich mit seinen Ölfunden und Explorationshoffnungen in der Orinoko-Region wie das Saudi-Arabien Südamerikas zu fühlen und aufzuspielen begann, zählte auch Venezuela zu seinen Patienten. Chávez sieht dreierlei falsch: Erstens, daß das Weltfinanzsystem ohne den IWF noch krisenanfälliger wird; zweitens, daß weder sein Land noch die von ihm in Aussicht gestellte neue lateinamerikanische Entwicklungsbank (Banco do Sur) die Mittel des IWF ersetzen können; und drittens, daß ihn seine hochfliegenden Pläne, die Öl-Bonanza seines Landes ohne das Geld von IWF und Weltbank anbohren und ausbeuten zu können, noch tiefer in die Abhängigkeit der Finanz- und Ölmagnaten treiben. Operetten-tenöre schrecken sie nicht.


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