© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Heinz Schön
Im Visier der Antifa
von Christian Vollradt

Als Heinz Schön, Überlebender des versenkten Flüchtlingsschiffs "Wilhelm Gustloff", am vorletzten Samstag in Viersen einen Vortrag bei der Landsmannschaft Ostpreußen hielt, stürmte eine Schar Vermummter mit dem Ruf "Nazis!" in den Saal. Einer 82jährigen, die sich den Störern entgegenstellte, schlugen sie in Gesicht und Magen. Ihre Parole "Nie wieder Deutschland!" und die geschwenkten Israel-Flaggen wiesen sie als Linksextreme aus, die der Fraktion der sogenannten "Antideutschen" zugehören. Daß diese den Eindruck erwecken wollen, ihr Vorgehen stehe in irgendeinem Einklang mit den Interessen des Staates Israel, setzt der Geschmacklosigkeit ihres Tuns noch die Krone auf.

Es ist nicht das erste Mal, daß sich Heinz Schön Gewalt und Drohungen bei seiner Vortragstätigkeit ausgesetzt sieht. Dem 1926 geborenen Schlesier ist es maßgeblich mit zu verdanken, daß die Tragödie des Gustloff-Untergangs nicht gänzlich vergessen wurde. Als Autor zahlreicher Fachbücher und Begründer des umfangreichsten privaten Dokumentationsarchivs zum Thema gilt er als einer der führenden Fachleute in Sachen Gustloff. Schön erlebte als 18jähriger Zahlmeister-Assistent des Dampfers die furchtbaren Szenen an Bord mit, nachdem ein sowjetisches U-Boot das Flüchtlingsschiff am 30. Januar 1945 in der Ostsee torpediert hatte. Er gehört zu den 1.239 Menschen, die den Untergang überlebten, über 9.000 Flüchtlinge - die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten - riß das Wrack mit in die Tiefe.

Diversen TV-Dokumentationen stand der heute 81jährige schon beratend zur Seite. Günter Grass stütze sich für seine 2002 erschienene Gustloff-Novelle "Im Krebsgang" ausdrücklich auf Schöns Arbeit, und nun berät er, wie er jüngst in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Deutschen Militärzeitschrift verriet, das ZDF für dessen Fernsehfilm "Hafen der Hoffnung - Die letzte Fahrt der Wilhelm Gustloff", der Anfang 2008 gesendet wird. Schöns umfangreiches Detailwissen soll dem zweiteiligen TV-Streifen von Regisseur Josef Vilsmaier in puncto historischer Authentizität zugute kommen.

Den Grundstein für sein umfangreiches Privatarchiv legte Schön bereits unmittelbar nach dem Krieg in Göttingen, wo er nach seiner Ausbildung an der Verwaltungsakademie im Fremdenverkehrsamt tätig war und nebenbei begann, andere Überlebende der "Gustloff" zu befragen. Einer daraus entstandene Zeitschriften-Serie folgte 1952 sein erstes Buch "Der Untergang der Wilhelm Gustloff", Grundlage für den bislang ersten und einzigen Gustloff-Spielfilm "Nacht fiel über Gotenhafen" von 1959.

Anfang der neunziger Jahre suchte Schön das persönliche Gespräch mit einem der Torpedoschützen, die die "Gustloff" versenkt hatten. Anders als bei den Maskierten des linken Rollkommandos ist bei Schön eben gerade nicht jener ideologische Manichäismus auszumachen, bei dem die Frage von Täter und Opfer pauschal nach nationaler Zugehörigkeit und nicht anhand des jeweils Erlittenen entschieden wird.


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