© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Männliches Triptychon
Frankreich: Der neue Präsident Sarkozy steht für eine härtere Gangart
Alain de Benoist

Allzu hoch waren die Hürden, die Ségolène Royal zu überwinden hatte. In einem Staat, dessen linke Parteien insgesamt nur gut ein Drittel der Wähler repräsentieren, hätte die Sozialistin auf einen Sieg nur hoffen können, wäre es ihr gelungen, die in der ersten Wahlrunde auf François Bayrou, ja sogar auf Jean-Marie Le Pen entfallenen Stimmen für sich zu verbuchen. Statt dessen gaben am 6. Mai 63 Prozent der Le-Pen-Anhänger und 45 Prozent der Bayrou-Wähler Nicolas Sarkozy den Vorzug.

Royal scheiterte mit 46,94 Prozent an der Stimmenarithmetik; an dem Spagat, sowohl die Wähler der Mitte wie des rechten Randes ansprechen zu müssen; an ihrer eigenen Ungeschicklichkeit gegenüber einem Rivalen, der stets selbstsicher auftrat; an der mangelnden Unterstützung durch ihre Parteifreunde. Letztlich sagte den französischen Wählern Sarkozys "maskulines" Triptychon "Arbeit - Autorität - Leistung" mehr zu als ihr "mütterliches" Triptychon "Gerechtigkeit - Mitleid - Respekt".

Zunächst werden diese Wahlen eine Umschichtung der politischen Landschaft zur Folge haben. Bei der Sozialistischen Partei (PS) hat nach Royals Niederlage die Stunde der Abrechnung geschlagen. Sie steht nun an einem Wendepunkt in ihrer Geschichte. Die katastrophalen Ergebnisse der Grünen wie der Kommunistischen Partei haben eine neue Strategie der "Einigung der Linken" undenkbar werden lassen. Deshalb steht den Sozialisten nun die Auseinandersetzung über die Frage bevor, ob die "Erneuerung der Linken" das Bemühen um "neue Übereinstimmungen" mit den Zentristen erfordert oder ob die "Neubildung" einer unabhängigen sozialdemokratischen Partei noch möglich ist. Bayrou, der die Gründung einer neuen Partei, der Demokratischen Bewegung, angekündigt hat, hofft offensichtlich von diesem "Aggiornamento" zu profitieren.

In der Krise steckt auch Le Pens Front National. Dessen Scheitern in der ersten Wahlrunde am 22. April bewies, daß das Bürgertum Le Pen seine Unterstützung entzogen hat. Die autoritäre Rechte, die eine liberale Gesellschaftspolitik ablehnt, den Wirtschaftsliberalismus hingegen befürwortet, hat in Sarkozy den jüngeren und glaubwürdigeren Repräsentanten einer "entkomplizierten" Rechten gefunden. Die wenigsten Wähler hat Le Pen in der Arbeiterschicht sowie in den am dichtesten besiedelten Gebieten Frankreichs verloren.

Was ist von Nicolas Sarkozy zu erwarten? Und vor allem, welchem Sarkozy soll man glauben? Im Wahlkampf war dem UMP-Kandidaten jedes Mittel recht. Vor allem aber hat er Worte in den Mund genommen, die weder Jacques Chirac noch Valéry Giscard d'Estaing je gesagt hätten. Als Nutznießer des Rechtsrutsches in der politischen Landschaft beschrieb er Frankreich in lyrischen Wendungen, wie sie früher nur Le Pen zu benutzen wagte. Am Abend seiner Wahl ließ er sich zu regelrechten Schwärmereien hinreißen: "Ich werde der Nation und der nationalen Identität wieder Ehre angedeihen lassen. Ich werde den Franzosen den Stolz auf Frankreich wiedergeben. Ich liebe Frankreich wie ein geliebtes Wesen, das mir alles geschenkt hat. Jetzt ist es an mir, Frankreich wiederzugeben, was Frankreich mir geschenkt hat." Fast wortwörtlich wiederholte er Arnold Schwarzeneggers Antrittsrede als Gouverneur von Kalifornien. Danach begab er sich zur Champs-Élysées, wo seine Kumpel aus dem Showbusiness und dem militärisch-industriellen Komplex ein Festmahl zu seinen Ehren gaben.

Tatsächlich war Sarkozy zuvorderst der Kandidat der Arbeitgeber. Sein Ideal ist eine Meritokratie nach US-Vorbild: "Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen" - wobei sich von selbst versteht, daß diejenigen, deren wichtigstes Lebensziel nicht darin besteht, "mehr zu verdienen", ruhig auf der Strecke bleiben können. Den Mittelschichten, die sich sowohl von der Kriminalität wie von der Raubgier des globalisierten Kapitalismus bedroht sehen, hat er einreden können, er werde einerseits die Ordnung wiederherstellen und andererseits den Arbeitsmarkt "flexibilisieren". In Wirklichkeit kündigt er eine Gesellschaft mit mehr Wettbewerb an, eine härtere Gesellschaft, deren Akzent auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit ohne Berücksichtigung der sozialen Kosten liegt.

Außenpolitisch deutete Sarkozy ein verstärktes französisches Engagement in Europa an. Einen EU-Beitritt der Türkei lehnt er strikt ab. Freilich will er auch keine Volksabstimmung über die "vereinfachte" EU-Verfassung abhalten lassen, die das Parlament verabschieden soll. Er wird demnächst Angela Merkel besuchen, macht aber privat keinen Hehl daraus, daß er weder die Russen noch die Deutschen mag.

Bei aller Rede von einem autonomen "politischen Europa" gilt seine wahre Zuneigung eindeutig den Amerikanern. Noch am Wahlabend versicherte er "unseren amerikanischen Freunden", "daß sie sich auf unsere Freundschaft verlassen können". Ein frischgebackener Präsident, der ein anderes Volk herzlicher grüßt als dasjenige, das ihn gewählt hat - das hat es noch nie gegeben. Das Weiße Haus weiß durchaus, was es an ihm hat: Als erster Staatschef gratulierte George W. Bush Sarkozy zum Sieg.

Sarkozy ist ein machthungriger Mann. Den Schwachen gegenüber tritt er herrisch auf, den Mächtigen gegenüber unterwürfig. Sein Wahlkampfslogan lautete: "Gemeinsam wird alles möglich." Seine Gegner erwidern: Mit ihm ist in der Tat alles möglich - eben davor sollte man sich fürchten.


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