© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Irrweg "Hausunterricht"
von Josef Kraus

In der nach wie vor hysterisch überzogenen deutschen Bildungsdebatte gibt es nichts, was es nicht gibt. Jetzt treten Leute auf den Plan, die im sogenannten Homeschooling (Hausunterricht) die Lösung so ziemlich aller Schulprobleme sehen. Das ist schier die ewige Wiederkehr des Gleichen, denn den Unterricht zu Hause gab es doch in wohlhabenden Häusern im alten Rom durch gebildete Sklaven. Zweihundert Jahre nach der großen sozialen Errungenschaft der Einführung der Schulpflicht nun also ausschließlich Privatunterricht zu Hause?

Die Protagonisten dieser Methode wissen nicht, was sie da inszenieren wollen. Erstens überschätzen sie sich maßlos. Wie etwa sollen Eltern in höheren Jahrgangsstufen das ganze Spektrum an Fächern einschließlich Naturwissenschaften und Fremdsprachen vermitteln können? Was - zweitens - ebenso schwer wiegt, das ist das Defizit an sozialem Lernen und an Begegnung mit Gleichaltrigen, das "Hausunterrichteten" zugemutet wird: Keine schulische Musikgruppe, keine schulische Sportgruppe, keinen Wandertag, keine Klassenfahrt können sie mitmachen. Drittens wird durch Hausunterricht die Jugend noch mehr atomisiert - auch nach sozialen Kriterien, denn wer anders als begüterte Eltern sind in der Lage dazu! Viertens schließlich ruft ein Homeschooling - wie die USA zeigen - Sektierer jeder Provenienz auf den Plan. Parallelgesellschaften haben wir aber schon genug.

 

Josef Kraus ist Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.


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