© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

Säuberung im Südwesten
Weikersheim: Stephan Braun fordert Unvereinbarkeitsbeschluß / CDU kappt unter Beschuß von links Verbindungen zum Studienzentrum
Michael Paulwitz

Der Kopf ist mit knapper Not gerettet, seinen Bußgang hat Ministerpräsident Oettinger in Baden-Württemberg fortgesetzt - doch die ersehnte Ruhe will nicht einkehren. Unerbittlich wird jetzt Filbingers Studienzentrum Weikersheim von links ins Visier genommen. Die Südwest-CDU reagiert mit Säuberungen in den eigenen Reihen und beginnt, die Verbindungen zu dem konservativen Netzwerk zu kappen.

Mit der "aktuellen Stunde" im Landtag erreichte Günther Oettingers Entschuldigung für seine Trauerrede auf Alt-Ministerpräsident Filbinger ihren vorläufigen Höhepunkt. Oettinger wiederholte seine Distanzierung von der Charakterisierung Filbingers als "Nazi-Gegner" und beteuerte, die CDU Baden-Württemberg fische "nicht am rechten Rand". Er habe seinerzeit als Fraktionsvorsitzender ja auch die Republikaner ausgegrenzt. Sein Nachfolger auf diesem Sessel, Stefan Mappus, stieß ins selbe Horn und forderte ebenso wie FDP-Fraktionschef Ulrich Noll ein Ende der Debatte.

Vor dem Bußgang im Landtag hatte Oettinger sich nach der Abbitte beim Zentralrat der Juden auch noch der Absolution durch die Israelitische Religionsgemeinschaft in Württemberg versichert. "Jeder Mensch darf mal einen Fehler machen", akzeptierte deren Vorsitzender Arno Fern die Entschuldigung des Ministerpräsidenten.

Dem Versprechen gegenüber dem Zentralrat, künftig ein wachsames Auge auf das Studienzentrum Weikersheim zu werfen, kam Oettinger derweil gewissenhaft nach. Kaum hatte er demonstrativ beteuert, die "tüchtigen Beamten" seiner Staatskanzlei treffe keine Schuld, er allein trage die Verantwortung für seine Trauerrede, entfernte er deren Verfasser erst einmal aus seinem engsten Umkreis. Der promovierte Politologe Michael Grimminger, ein früherer Assistent von Professor Günther Rohrmoser und Verfasser eines positiven Festschrift-Beitrags für Filbinger, wurde vom Referat "Reden und Terminvorbereitung" zu den "bundespolitischen Themen" versetzt und soll demnächst ins Agrarministerium wechseln.

Studienzentrum Weikersheim "nicht mehr reformierbar"

Ende April hatte Oettinger auch den Vorsitzenden des Studienzentrums, Bernhard Friedmann, in die Staatskanzlei bestellt. Über das "offene Gespräch", von dem Oettinger seine weitere Mitgliedschaft abhängig machen wollte, vereinbarten beide Stillschweigen; Anfang Mai will der CDU-Chef die Parteigremien informieren.

Es gehöre schon "viel böser Wille" dazu, Weikersheim in die Nähe von Rechtsextremen zu rücken", hatte Friedmann noch erste Forderungen nach Schließung der Einrichtung zurückgewiesen, wie sie etwa von der linksextremen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes erhoben werden.

Böser Wille ist freilich reichlich vorhanden: Volker Beck, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, fordert die Streichung aller Zuschüsse der Bundeszentrale für politische Bildung, die Weikersheimer Veranstaltungen in den letzten 18 Jahren mit ganzen hunderttausend Euro und zuletzt mit gerade mal zweitausend Euro im Jahr gefördert hat. Bundesweit steigt der Druck auf die CDU-Prominenz, sich von Weikersheim loszusagen. Die sächsische PDS zielt auf den Dresdener Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz als Präsidiumsmitglied des Zentrums und Ex-Minister Matthias Rößler als Tagungsteilnehmer.

Daß Weikersheim-Präsident Bernhard Friedmann die von Oettinger kritisierten Veranstaltungen mit Martin Hohmann und General Reinhard Günzel sofort abgesagt hat, mindert den Kampagnendruck nicht. Der baden-württembergische SPD-Landtagsabgeordnete und selbsternannte "Extremismus-Experte" Stephan Braun, im vergangenen Jahr Veranstalter einer dubiosen Anhörung zur JUNGEN FREIHEIT, prangerte ebenso wie die Landtags-Grünen in inquisitorischem Ton die Verbindungen führender Funktionäre der Jungen Union zu Jung-Weikersheim an, das zu den abgesagten Vorträgen eingeladen hatte, und forderte von Oettinger einen "Unvereinbarkeitsbeschluß" zwischen der Mitgliedschaft in der CDU und im Studienzentrum Weikersheim, das "nicht mehr reformierbar" sei.

CDU-Nachwuchspolitiker unter Druck gesetzt

Nicht Oettinger, sondern Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl reagierte als Generalsekretär der Landes-CDU. Strobl erklärte die Mitgliedschaft in der Jungen Union und bei Jung-Weikersheim für unvereinbar und setzte Landes-JU-Chef Steffen Bilger, die stellvertretende JU-Bundesvorsitzende Nina Bender sowie den Landeschef des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, Steffen Kirsch, unter Druck, worauf diese ihre Vorstandsposten in der Nachwuchsorganisation des Studienzentrums niederlegten.

Bilger, der als einer der ersten Oettinger für seine Trauerrede applaudiert hatte, bekennt zerknirscht, es sei ein Fehler gewesen, die inkriminierten Vorträge nicht zu verhindern; er glaube aber, daß er und seine Ex-Vorstandskollegen "nach wie vor tragbar für die CDU" seien.

Noch ein führender Unionsmann "auf Bewährung" also. Man darf spekulieren, daß auch Ministerpräsident Oettinger im Zweifelsfall kaum zögern wird, die letzten Verbindungen seiner Partei nach Weikersheim zu durchtrennen. Schließlich ist inzwischen durchgesickert, daß Angela Merkel, der von Oettinger gestürzte Amtsvorgänger Erwin Teufel und seine frühere Rivalin, Bildungsministerin Anette Schavan, bereits ausgekungelt hatten, ihn durch den CDU-Fraktionschef im Bundestag Volker Kauder zu ersetzen, hätte er sich nicht vollständig von seiner Rede distanziert.

Der hatte freilich 1993 Filbinger auch schon mal als Gegner des NS-Regimes bezeichnet - so wie viele andere auch. Das würde er aber nicht wieder tun, sagt Kauder heute. So wie Günther Oettinger auch. Im Stuttgarter Landtag hat Ute Vogt, Fraktionschefin der So-zialdemokraten, auch wenn sie es anders meinte, doch ins Schwarze getroffen: Oettinger "fehlen die festen Maßstäbe" für sein politisches Handeln. Die werden ihm offensichtlich von anderen vorgegeben.


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