© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Frisch gepresst

Helmuth Plessner. Augenblicklich wimmelt der Laufsteg von "intellektuellen Gründern", die die zweite deutsche Republik aus der Taufe gehoben haben sollen. Ursprünglich war diese Rolle ja einmal "den Frankfurtern" zugedacht, aber dieser Ruhmestitel der Remigranten Horkheimer und Adorno scheint in den letzten Jahren rasant zu verblassen. Mit der "Ritter-Schule" hat Jens Hacke vor kurzem "liberal-konservative" Gründergeister präsentiert (JF 12/07), und nun bietet Cornelia Dietze den Göttinger Sozialphilosophen Helmuth Plessner als den akademischen Adenauer des Bonner Teilstaats an (Nachgeholtes Leben. Helmuth Plessner 1892-1985. Wallstein Verlag, Göttingen 2006, gebunden, 622 Seiten, Abbildungen, 45 Euro). Aber anders als Joachim Ritter, der erst dank eines Hermann Lübbe als Schallverstärker seiner Ideen reüssierte, anders als Arnold Gehlen, aus dessen Aphorismen Helmut Schelsky dicke Bücher formte, wirkte Plessner nicht nur mit seinem Konstrukt der "verspäteten Nation" aus eigener Kraft - ungeachtet seines Schülers, des Reklamegenies Christian Graf von Krockow, der dreißig Jahre von Plessners Einfällen zehrte. In erfreulichem Gegensatz zum sperrigen Hacke bringt uns Cornelia Dietze in ihrer "vollständig auf Archivquellen" basierenden Göttinger Dissertation Werk und Biographie Plessners, der nach 1939 im holländischen Untergrund überlebte, erzählerisch in einer Weise näher, die wahrhaft preiswürdig ist. Der ihr darob 2006 verliehene Hedwig-Hintze-Preis des Verbandes der Historikerinnen und Historiker Deutschlands freilich erscheint - blickt man auf das arg lederne Schrifttum der Namensgeberin - ihrer so ungemein eleganten und spannenden Darstellung nicht ganz adäquat.

Max Goldt. Everybody's darling is everybody's depp. Dieser Satz schießt einem in den Kopf, wenn man die - unabhängig von weltanschaulicher oder politischer Präferenz - fast einhellige Verehrung der Lebensbeobachtungen Max Goldts verfolgt. Wahrlich ist der Hymne Daniel Kehlmanns, daß seine Texte "wahre Wunder an Eleganz und Poesie enthalten", nicht unbedingt zu widersprechen. Das jüngste Werk, sich wieder aus Titanic-Kolumnen speisend, besticht dann in der Tat durch Goldts gewohnt detailverliebtes Schauen und Schildern des alltäglichen Halbwahns. Dennoch reicht seine "quiet quality"-Mischung nicht an ältere Essayschatzkästchen heran (QQ. Rowohlt Verlag, Berlin 2007, gebunden, 156 Seiten, 17,90 Euro).


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