© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Liebe in den Trümmern
Neue auf DVD: C. Reeds "Gefährlicher Urlaub"
Werner Olles

Im Gegensatz zum psychologischen Kriminalfilm widersetzt sich das Subgenre des Polit- oder Agententhrillers in aller Regel einer eindeutigen Definition. Die Abbildung einer Zerstörung menschlicher Beziehungen durch politische Umstände und die Intrige als Abbild eigener Erfahrungen - bezeichnend auch für viele Filme von Alfred Hitchcock - gehören daher zu den festumrissenen Spielregeln dieses unterschätzten Genres. Dies trifft übrigens auch für die typischen Thriller-Elemente zu: die Verstellung, die Falle, die Verfolgungsjagd und die Entscheidung.

Kaum jemand hat diese Bilder mit so großer Suggestionskraft gezeichnet wie der britische Regisseur Carol Reed in seinem Meisterwerk "The Third Man" (Der dritte Mann, 1949), Graham Greenes Geschichte einer Männerfreundschaft, die in den Ruinen und Katakomben des geteilten Nachkriegs-Wien ein tragisches Ende findet. Vier Jahre später inszenierte Reed nach dem Roman "Susanne in Berlin" von Walter Ebert einen weiteren subtilen politischen Thriller, der durch die expressiv gefilmten Originalschauplätze ebenfalls eine unverwechselbare Stimmung erhielt: "The Man Between" (Gefährlicher Urlaub, 1953).

Die Handlung spielt mitten im Kalten Krieg Anfang der fünfziger Jahre im zerstörten Berlin. Die junge Engländerin Susanne (Claire Bloom) besucht ihren Bruder Martin, der als Militärarzt bei der britischen Garnison in West-Berlin seinen Dienst absolviert. Mit ihrer deutschen Schwägerin Bettina (Hildegard Knef) versteht sie sich bestens, allerdings wird sie schon bald Zeugin merkwürdiger Vorfälle, die sich im Niemandsland zwischen Ost und West abspielen. Sie lernt den geheimnisvollen Ivo (James Mason) kennen, einen undurchsichtigen Geschäftemacher, der sich offenbar in unbekannter Mission zwischen den vier Besatzungssektoren der geteilten Stadt bewegt, und verliebt sich in den attraktiven Fremden, ohne zu ahnen, daß sie inzwischen schon selbst zu einer Schachfigur im gefährlichen Agentenspiel des Kalten Krieges geworden ist. Als sie im Verlauf eines politischen Bandenkrieges nach Ost-Berlin verschleppt wird, entscheidet sich Ivo gegen seinen Auftrag und für sein Gefühl und opfert schließlich sein Leben für die junge Engländerin.

Bei all seinen gestalterischen Schwächen, die ihm von der Kritik angelastet wurden, und die auf das Drehbuch von Harry Kurnitz und Eric Linklater zurückzuführen sind, ist "The Man Between" ein perfekt und kühl konstruierter Polit-Thriller mit großartigen Darstellern (in glänzenden Nebenrollen Aribert Wäscher und Ernst Schröder) und einem überzeugenden Zeit- und Lokalkolorit. Atmosphärisch dicht vermitteln die authentischen Drehorte mit ihren eindrucksvollen Trümmerlandschaften, nächtlichen Straßen, dunklen Schatten und zwielichtigen Randfiguren ein verstörendes und beeindruckendes Bild Berlins in jener legendären Zeit der Agentenkriege, Entführungen und politischen Intrigenspiele zwischen Ost und West. Als Extras bietet die Arthaus-DVD zudem eine Biographie des Regisseurs und eine schöne Fotogalerie.


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