© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Traumberuf Hausfrau
Von gläsernen und bleiernen Decken: Welche andere Arbeit bietet ähnlichen Spielraum?
Ellen Kositza

Wir haben die Nur-Hausfrau, die Rabenmutter, die Doppel- und Dreifachbelastete. Eine Menge Frauenschicksal, das geschultert werden will, so scheint es. Geglückte - das heißt selbst als beglückend empfundene - weibliche Lebensentwürfe haben sich heute einer gestrengen Musterung nach möglichen Minuspunkten zu unterziehen.

Diese großen "Aber" lauern überall: Ja, nette Kinder - aber wozu dann die Investition in eine aufwendige Ausbildung? Ja, eine beachtliche Karriere - aber wo bleiben die Kinder? Oder, die lieben Nachbarn: Jaja, tolle Kinder trotz Beruftätigkeit - aber muß ein Vorgarten so aussehen? So viel Ach und Weh, soviel Mißgunst und Verteidigung des je eigenen Wegs war selten.

Beim Forschen über aktuelle Befindlichkeiten mitteljunger, vornehmlich gebildeter Frauen - gemeint ist in etwa das fortgeschrittene "gebärfähige Alter", die Zeit zwischen dem 25. und dem 45. Lebensjahr - tritt eine grundsätzlich negative Affinität zum Begriff "Decke" zutage. Gemeint ist nicht das wärmende Bettutensil, sondern die obere Begrenzung eines Raumes.

Viel ist die Rede von der sogenannten gläsernen Decke, an die Frauen mit Karriereambitionen stoßen. Gemeint sind Aufstiegschancen, von denen es heißt, daß sie der Berufstätigen trotz Erfolg und Engagement verbaut seien. Die andere Decke als Plagegeist ist mindestens ebenso notorisch: Es ist die Decke, die nach vielfacher Aussage den Hausfrauen (wir reden von Hausmüttern: die junge kinderlose Hausfrau dürfte eine Minderheit darstellen) auf den Kopf fällt. Nicht als gläsern, vielmehr als bleiern wird sie beschrieben: Auf Dauer lähmend sei der Alltag mit Haushalt und Kind, weniger einer schweißtreibenden Bergwanderung denn einem gepäckbeladenen Spaziergang vergleichbar. Dabei würde man lieber mal tüchtig ausgreifen - wie sehr würde man die anschließende, wohlverdiente Rast genießen!

Der erwerblosen Kindsmutter jedoch, so scheint es, ist weder das eine noch das andere beschieden: Statt Spurt und Erholung (wie bei den erwerbstätigen Durchstartern ohne Nachwuchs) ein Präsentsein rund um die Uhr. Ermüdend, unentlohnt, bestätigungsarm. Die häufig vorgebrachte Aufzählung all der "Jobs", die eine Durchschnittsmutter ausführt, hilft nicht wirklich weiter. Köchin, Krankenschwester, Lehrerin, Chauffeurin, gar Managerin etc.: logisch. Was eine Mutter eben so leistet.

Im Alltag scheint dann doch vieles davon delegierbar. Unsere berufstätigen Supermütter machen es vor, ohne daß deren Kinder zwangsläufig und eindeutig Schaden nähmen. Wie verlockend erscheint da das bombastische Krippenprogramm der Familienministerin! Der Gedanke an die Austauschbarkeit der eigenen Präsenz, sei es bei der bisweilen zermürbenden Kleinkindbetreuung - gerade für gebildete Mütter oft Über- und Unterforderung zugleich -, sei es später bei Bastelnachmittagen und Hausaufgabenhilfe: Das ist der Punkt, an dem sich die häusliche Decke zu senken beginnt.

Es gibt - ja, auch heute noch - Mütter, die das erdulden. Die sich bescheiden, ohne unglücklich zu sein. Da fällt die Decke gar nicht bis auf den Kopf. Sie stellt einen hegenden Raum dar, eine ersehnte Nische der Betätigung gar. Das sind nicht die schlechtesten Mütter! Den anderen, wohl der Mehrzahl, bleibt die Flucht aus dem häuslichen Bereich (ins Erwerbsleben oder in die weiten Felder des Mütterkonsums) oder jene andere Option mutwilliger Aktivität: das Leben mit dem Kind - den Kindern - zu führen.

Das nun ist das genaue Gegenteil davon, sich vom Betreuungsalltag an die Leine nehmen zu lassen. Als vor ziemlich genau einem Jahr das Bundesfamilienministerium seinen Siebten Familienbericht veröffentlichte, sorgte das darin behauptete und mit den streitbaren Mitteln der empirischen Sozialforschung erwiesene "Zeitmanagement" deutscher Hausfrauen für Zündstoff: Nur-Hausfrauen, hieß es da höchstamtlich, widmeten ihren Kindern kaum mehr Zeit als berufstätige Mütter. Glotze an, Prosecco und Nagellackfläschchen auf! höhnten die einen, während die anderen jene Familienberichter der Lüge bezichtigten. Die Wahrheit mag in der Mitte liegen.

Tatsache ist, daß der gewaltige Freiheitsraum, der sich durch den Mutterberuf eröffnet, in weiten Teilen brachliegt. Natürlich, jede bewußte Mutter trifft laufend Entscheidungen. Sei es bei der Arzt- und Schulwahl oder, banaler, eben am Warentisch. Das sprengt nicht die Fesseln des Alltags. Erzieherisches Engagement, das nach Freiheit und Glück sucht (auch für die Kinder), verläßt die tendenziell langweiligen Spuren, die durch die Buggys der un- oder halb­erfüllten Spielplatzmütter gezogen werden.

Nein, es geht nicht um den nervösen Typus der hochengagierten Übermutter. Klar, die gibt es auch. In der Variante der Dauerbesorgten und in derjenigen, die den eigenen, unerfüllt gebliebenen Ehrgeiz auf den Nachwuchs projiziert. Nicht zufällig ist spätestens mit dem zweiten Kind dem Elan solcher Übermütter eine Grenze gesetzt. So gibt es Frauen, die sich den Wunsch nach einem zweiten Kind allein deshalb versagen, weil sie befürchten, dem Erstgeborenen dann nicht mehr gerecht werden zu können. Solche "Gerechtigkeit" besteht neben einer überfürsorglichen Dauerbebegleitung im Absolvieren sämtlicher Angebote und Therapien, die der Markt auch für das kerngesunde Kind feilbietet; von der Extra-Versicherung gegen jede Eventualität des Schicksals über Logo- und Ergotherapie bis hin zur Psychobetreuung, die bei solcher Bemutterung irgendwann zwangsläufig wird.

Jeder kennt auch den Typus der Ambitionierten, die ihr Kind - das oft das Lachen längst verlernt hat - auf Teufel komm raus zur Stargeigerin oder Primaballerina oder wenigstens zum Musterschüler drillen will. Doch das ist nicht gemeint. Es geht um einen Grad der gestalterischen Freiheit, den kaum ein Beruf in solchem Maße offeriert wie der Hausfrau. Es geht, beispielsweise, um Sing- und Tanzwettbewerbe, um hochfestliche Puppengeburtstage mit sorgfältig einstudierten Darbietungen, Rutschmarathons (mit anschließender Durchschlafgarantie), Eisbaden im Winter und ausgedehnte Schlammbäder im Sommer: Welche Kinderanstalt kann dies leisten?

Und das ganz Kleine? Braucht kein Entertainment, erst recht kein klingendes Plaste-Spielcenter teurer Markenhersteller. Ist zufrieden, wenn es auf dem Rücken hocken kann, schauen, lauschen. Anstrengend wird es, wenn es mittun will und die Geschwister fehlen. Doch wie schnell ist diese Zeit vorbei: Im Rückblick - dies als Durchhalteparole ausgegeben! - währt sie allzu kurz. Die Hausfrau ist der Chef, sie verwaltet das Eigene und darf Prioritäten setzen. Ihre raumpflegerischen - also tendenziell weniger kreativen Aktivitäten - mag sie nach Gutdünken minimieren. Kein Hahn kräht nach dem Frühjahrsputz, wo draußen die Sonnenstrahlen locken: Das allein lüftet die Decken hinreichend!

Mit einem ziemlich großartigen Vorwurf suchte vor vielen Jahren ein befreundeter Kindsverächter (dessen Freundin, nebenbei bemerkt, gerade schwanger geht) meinem Hausfrauenmodell zu begegnen: Ihm erscheine diese "Gebärerei" doch auch nur als eine Art der Selbstverwirklichung. Oh ja! Wie wahr! Und ist dabei gleichsam die positive Version des alten feministischen "Mein Bauch gehört mir"-Schlachtrufs. Bei solcher Selbstverwirklichung wächst die Decke himmelhoch.


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