© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Schäuble setzt neue Maßstäbe
Terrorabwehr: Der Bundesinnenminister will die Sicherheitsgesetze verschärfen und gerät dabei mit dem Grundgesetz in Konflikt
Fabian Schmidt-Ahmad

Harte Worte mußte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den vergangenen Tagen sowohl von der Opposition als auch vom Koalitionspartner anhören. Grund war Schäubles Absichtserklärung, die Sicherheitsgesetze in Deutschland weiter zu verschärfen.

In einem Maßnahmenpaket soll unter anderem die Autobahn-Mautkontrolle zur Überwachung eingesetzt werden - ein Vorhaben, das bei der Einrichtung der Mautkontrolle eigentlich ausgeschlossen wurde. Mit scharfen Worten kritisierte Fritz Kuhn, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Schäubles Pläne als "Anschlag auf die Freiheit der Demokratie". Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Petra Pau: "Das Volk gilt nicht mehr als souverän, sondern als kriminell." Seitens der FDP wurde überhaupt der Sinn dieser rechtsstaatlichen Einschränkungen in Frage gestellt. "Schäuble hat bisher nicht erklärt, warum die Maßnahmen für die Terrorbekämpfung erforderlich sein sollen", sagte die Bundestagsabgeordnete Gisela Piltz gegenüber der Berliner Zeitung.

Verhaltener war die Kritik des Koalitionspartner. Besonderen Unmut erregte dort allerdings der Umstand, daß Schäubles Vorstoß nicht abgesprochen war. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter vermutete entsprechend einen "billigen Versuch, sich politisch zu profilieren". Seinem Parteikollegen Sebastian Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages, "gehen einige Vorstellungen zu weit". Dazu gehört Schäubles Absicht, die in Zukunft auf den Reisepässen gespeicherten Fingerabdrücke auch bei den Meldeämtern hinterlegen zu wollen. "Wir sind kein Überwachungsstaat und wollen es auch nicht werden", sagte Edathy. "Die Fingerabdrücke der gesamten Bevölkerung zu speichern, ist nicht mit einem demokratischen Rechtsstaat vereinbar."

Schäuble verteidigte diese Vorgehensweise mit Gründen der Datensicherung: "Es geht zunächst um die Dokumentensicherheit und die Rückkopplung mit den Paßbehörden. Aber nur damit es nicht vernetzt werden kann, können wir die Daten doch nicht gleich vernichten." Die CDU hofft, eine entsprechende Gesetzesvorlage zügig durchsetzen zu können. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Wolfgang Bosbach, strebt schon zum Sommer einen kabinettreifen Entwurf an.

Verfassungsänderung als größtes Hindernis

Ein ehrgeiziges Unterfangen, gibt doch selbst Schäuble zu, daß ein solches Gesetz derzeit verfassungswidrig wäre. Dies betrifft insbesondere seine Absicht, in Zukunft vernetzte Rechner heimlich auslesen zu lassen. So sagte er gegenüber dem Handelsblatt: "Wenn, worüber sich die Juristen streiten in diesen Fällen, Artikel 13 Grundgesetz, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert, berührt ist, brauchen wir womöglich hier eine Ergänzung, um diesen Eingriff auf eine verfassungsrechtlich sichere Grundlage zu stellen." In der Tat dürfte die Grundgesetzänderung das größte Hindernis für Schäubles Pläne darstellen. Schäuble selbst hat mit diesem Artikel noch eine alte Rechnung zu begleichen. 1998 beschloß der Bundestag eine Einschränkung des Artikels mit der Absicht, den sogenannten "großen Lauschangriff" durchzusetzen. Nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung formulierte jedoch der vom Bundesrat eingeschaltete Vermittlungsausschuß Ausnahmeregelungen, die der Regierung Kohl die erste Abstimmungsniederlage ihrer langjährigen Geschichte beibringen sollten. Offensichtlich war die Bevölkerung damals nicht vom Sinn des Ganzen überzeugt.

Heute kann Schäuble zuversichtlicher der Auseinandersetzung mit dem Grundgesetz entgegensehen. Hat doch inzwischen auch die SPD, die damals noch eine uneindeutige Linie verfolgte, mit ihren Sicherheitsgesetzen Erfahrungen in Sachen Bürgerbegutachtung gesammelt. Schäubles Amtsvorgänger Otto Schily (SPD) setzte nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit seinen berühmt-berüchtigten "Otto-Katalogen" neue Maßstäbe in der Terrorismusbekämpfung - Vorarbeiten, auf denen Schäuble heute aufbauen kann. So war beispielsweise die möglichst zügige digitale Erfassung von biometrischen Merkmalen in Ausweispapieren eine Lieblingsidee Schilys. Wenn sich heute sein Parteifreund Edathy darüber empört zeigt, daß Fingerabdrücke auch bei den Meldeämtern gespeichert werden sollen, so fragt man doch nach der Ernsthaftigkeit solcher Vorwürfe. Schließlich sind dies juristische Marginalien im Vergleich zu einem viel schwerwiegenderen Problem: nämlich dem, wie es sein kann, daß einerseits ein Parlament sich daranmacht, beständig staatliche Kontrollmechanismen weiterzuentwickeln und auszubauen, obwohl es andererseits, dies besagen jedenfalls die Umfragen, zunehmend am Volk vorbei regiert und dementsprechend an demokratischer Legitimität einbüßt.

Glaubt man den zuständigen Politikern, wird diese Entwicklung durch die Zunahme der Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus gerechtfertigt. Noch in den siebziger Jahren hatte der Rechtsstaat den Angriff der RAF mit ein paar Schrammen überstanden, ohne daß das Grundgesetz ernsthaft gefährdet wurde. Schily hält die aktuelle Bedrohung allerdings für wesentlich gefährlicher: "Das war damals eine schreckliche Zeit, eine blutige und böse Zeit. Aber die Dimensionen des weltweiten islamistischen Terrors, dessen Opfer schon jetzt in die Zehntausende gehen, ist unvergleichlich größer", sagte er im vergangenen Jahr.

Und sein Amtsnachfolger greift auch diese Vorlage dankbar auf, um seine aktuellen Pläne zur erneuten Verschärfung der Sicherheitsgesetzte zu rechtfertigen und gegen alle Widerstände durchzusetzen.

Foto: Bundesinnenminister Schäuble (CDU): Ehrgeiziges Unterfangen


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