© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Der Europäische Selbstbedienungsladen
Andreas Mölzer

Im neuesten Korruptionsfall innerhalb der EU gab es kürzlich drei Verdächtige, ein hoher Beamter der Kommission wurde verhaftet. Ins Rollen gebracht wurde der Fall durch die Beschwerde eines finnischen Unternehmers, der angegeben hatte, er habe 345.000 Euro Schmiergeld zahlen müssen, um den Auftrag für den Bau des EU-Sitzes in Indien zu bekommen. Im Vergleich zu Betrügereien bei den Agrarförderungen sind das peanuts, denn in diesem Bereich beträgt der Schaden mehrere Milliarden Euro. Und eine Behebung dieses Mißstandes wird auch die Subventionssünder-Kartei der Kommission nicht erreichen können, da die Wurzel des Übels viel tiefer liegt.

Der Großteil des EU-Etats von über 100 Milliarden Euro im Jahr ist für die verschiedenen Struktur- und Landwirtschaftssubventionen vorgesehen. Für die Nettoempfänger scheint es eine Frage des nationalen Prestiges zu sein, möglichst viel Geld aus Brüssel zu erhalten. In der Rangliste stehen Spanien und Griechenland ganz oben, und bezüglich der Rückforderung illegal bezogener Beihilfen wird in der Regel kein übermäßiger Eifer an den Tag gelegt. Wie hoch die Summe sein wird, die in den zwölf neuen EU-Mitgliedstaaten in dunklen Kanälen versickert, läßt sich noch nicht genau sagen. Jedoch ist zu befürchten, daß diese beträchtlich ist.

Als vor 50 Jahren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet wurde, begann man aus taktischen Gründen mit Ausgabenprogrammen. Erschwert wurde dann die Lage im Laufe der Zeit durch den Griff der Brüsseler Zentrale nach immer mehr Zuständigkeiten, der mit einem Fehlen wirksamer Kontrollmechanismen verbunden war. Wie ein Bericht des Haushaltskontrollausschusses des EU-Parlaments 2006 festgehielt, hat die Brüsseler Regulierungswut auch dazu geführt, daß sich selbst Beamte der Kommission im Dschungel der verschiedenen, einander oftmals widersprechenden Vorschriften verirren. Daher überrascht es auch nicht, daß sich in der Eurokraten-Kaste eine Selbstbedienungsmentalität eingeschlichen hat. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl die französische EU-Kommissarin Édith Cresson. Die Verwicklung der Sozialistin in eine Betrugsaffäre brachte 1999 die gesamte Kommission von Jacques Santer zu Fall.

Wenn die Brüsseler Zentrale verhindern will, daß die EU zu einem Selbstbedienungsladen verkommt, dann wird dazu eine Subventionsbetrüger-Kartei nicht ausreichend sein. Sinnvoller wäre es hingegen, im Sinne der Subsidiarität weitreichende Zuständigkeiten - insbesondere in der Agrar-, Struktur- und Regionalpolitik - zu den Mitgliedstaaten zurückzuverlagern. Denn dadurch fiele auch die Vergabe von Beihilfen in die Kompetenz der Nationalstaaten, die eher für die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder Sorge tragen.

Als positiven Neben­effekt könnte die Kommission über die Hälfte ihrer Bediensteten abbauen. Außerdem könnte eine Reihe sinnloser Agenturen der EU geschlossen werden, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. Denn es darf ernsthaft bezweifelt werden, ob beispielsweise die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte in Wien oder die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin wirklich für den Bürger unverzichtbare Dienste leisten. 

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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