© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Waldeinsamkeit
Bayern: Seit 1545 besitzt das böhmische Eger in der Oberpfalz einen Forst, gegen den vom tschechischen Stadtrat geplanten Verkauf regt sich nun Widerstand
Ekkehard Schultz

Ein rund 650 Hektar großes Waldstück zwischen den oberpfälzischen Gemeinden Waldsassen und Mitterteich (Bayern) ist zu einem besonderen Streitpunkt zwischen vertriebenen Sudetendeutschen und ihrer ehemaligen Heimatstadt Eger geworden.

Formal gehört das Grundstück der Gemeinde Eger seit dem Jahr 1545. Diese Rechte wurden grundsätzlich auch nach 1945 nicht angetastet. Allerdings galt der Wald bei den einstigen deutschen Bewohnern Egers nun als "ein letztes Stück Heimat". Er war diesseits des Eisernen Vorhangs zum einzigen jederzeit frei betretbaren Territorium der alten Reichsstadt geworden. Juristische Schwierigkeiten mit dem Grundstück gab es erst in den siebziger Jahren. Damals wollte die Gemeinde Waldsassen einige Quadratmeter des Waldes für eigene Zwecke erwerben. Ansprechpartner wäre der Stadtrat der sich nun ausschließlich in tschechischen Händen befindlichen westböhmischen Stadt bzw. der tschechoslowakische Staat gewesen. Gegen einen solchen Schritt protestierte damals der "Egerer Landtag" als Exilvertretung der nach 1945 vertriebenen Egerer deutscher Nationalität.

Nach längeren Auseinandersetzungen zwischen diesen Parteien entschied damals der Bundestag, daß das Forstgrundstück gemäß dem Rechtsträger-Abwicklungsgesetz von 1965 treuhänderisch der Obhut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der Bundesforstverwaltung anvertraut wurde. Im Gegenzug erkannte das Oberste Bayerische Landesgericht den Wald als Eigentum von Eger an. Zu einer konkreten Einigung über die Zukunft des Grundstückes kam es jedoch damit nicht.

Geld für die Sanierung der Altstadt

Nun, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem EU-Beitritt Tschechiens, versucht erneut der tschechische Stadtrat Egers über das Grundstück zu verfügen. Zu diesem Zweck fordert er das Bundesamt für Immobilienaufgaben auf, die treuhänderische Verwaltung nunmehr einer an das Grundstück angrenzenden oberpfälzischen Gemeinde zu übertragen. Anschließend werde man sich - so der Stadtrat - mit dieser Gemeinde über das Grundstück einigen.

Favorisiert wird vom Stadtrat momentan ein Verkauf des Waldes, der rund 5,5 Millionen Euro wert ist. Dieses Geld solle dann, so versicherte der tschechische Bürgermeister Jan Svoboda, für die Sanierung der historischen Altstadt Egers verwendet werden.

Das Bundesamt für Immobilienaufgaben beharrt dagegen bis heute auf einer politischen Lösung zwischen deutscher und tschechischer Regierung. Dies ist auch im Sinne der deutschen Vertriebenen; verweisen sie doch im Gegenzug auf die nie erfolgte Klärung über eine Entschädigung für ihre einstigen Immobilien und Grundstücke durch das heutige Tschechien. Diese sei auch mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 nicht erledigt worden.

Der tschechische Stadtrat Egers droht indes mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof, falls eine Verständigung auf kommunaler oder bundesstaatlicher Ebene in naher Zukunft nicht zustande kommen sollte. Dort - so ist sich der anwaltliche Rechtsbeistand der Stadt sicher - werde gewiß im Sinne der heute tschechischen Gemeinde entschieden.


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