© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

"Intolerante Muffigkeit"
Potsdam: SPD, Linkspartei und Grüne versuchen die Gründung einer katholischen Jungenschule zu verhindern
Steffen Königer

Potsdam als Hort für Toleranz - so präsentieren Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und seine rot-rote Regierungskoalition gerne ihre Stadt. Das Verhältnis wird nur gestört, wenn konservative Institutionen eine Idee haben. Nachdem Stadtschloß und Garnisonkirche bereits für Zündstoff sorgten, gibt es nun Aufregung um die konservative katholische Laienorganisation "Opus Dei". Sie will in der Stadt ein katholisches Gymnasium für Jungen gründen. Klar, daß sich in der linken Hochburg heftiger Widerspruch gegen das Vorhaben erhebt.

Die Grünen warteten in der vergangenen Woche mit einer Verteilaktion auf: "Potsdam sagt Nein zu Opus Dei", stand auf Postkarten zu lesen. 2.500 Stück verteilte die Partei davon. Auf der Vorderseite der Karte ist ein Bußgürtel abgebildet, auf der Rückseite kann gegen das geplante Gymnasium unterschrieben werden. Jürgen Stelter, der Vorsitzende der Grünen in Potsdam, wollte die Bevölkerung zusätzlich auf einem zweiseitigen Flugblatt gewarnt wissen, daß "das Weltbild und das Handeln des katholischen Ordens im Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft" stehe. Laut Flugblatt seien "massive negative Auswirkungen auf die geistige Entwicklung der zukünftigen Schüler zu erwarten", womöglich könnten Absolventen als "Kader des Opus Dei in Entscheidungspositionen in der Hauptstadtregion" aufsteigen.

"Bei mir fragt keiner nach", sagt dagegen Christoph Rüssel, der Vorsitzende der Stiftung Freie Schulen Berlin-Brandenburg. Der 43jährige lebt seit sechs Jahren in Potsdam und engagiert sich mit Leib und Seele für das Knabengymnasium. Als er im September 2003 persönlich mit Oberbürgermeister Jakobs gesprochen habe, sei der Tenor noch ein ganz anderer gewesen, sagt der Vater von sechs Kindern im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Jakobs stand der Idee offen gegenüber und wollte "Kontakte zum Bildungsministerium" herstellen. Als dann die Voranfrage einging, schlug der Initiative jedoch heftiger Gegenwind ins Gesicht. Das Brandenburger Bildungsministerium versuchte sich mit der Begründung herauszuwinden, daß im Schulgesetz koedukative Bildung - also gemeinsamer Unterricht von Jungen und Mädchen - verankert sei. Schlechte Chancen für eine reine Jungenschule. Rüssel hielt dem entgegen, daß dies lediglich für staatliche Schulen gelte, nicht für private Träger.

Zur Verwirklichung des katholisch geprägten Gymnasiums hat sich 2004 die Stiftung Freie Schulen Berlin-Brandenburg gegründet. Zum Gründungsbeirat zählen unter anderen Leo-Ferdinand Graf Henckel von Donnersmarck (der Vater des Oscar-Gewinners Florian Henckel von Donnersmarck), Christa Meves, Psychotherapeutin und Bestsellerautorin, und der Kinderbuchautor Willi Fährmann. Zur Begründung einer monoedukativen Bildung heißt es in einer von der Stiftung herausgegebenen Broschüre: "Gleichaltrige Jungen und Mädchen entwickeln sich in einem unterschiedlichen Tempo (...) aufgrund ihrer physiologischen Veranlagung verausgaben sich Jungen in bestimmten Phasen lieber sportlich als intellektuell." Die Monoedukation, so hätten wissenschaftlich Untersuchungen ergeben, ermögliche lediglich das bessere Eingehen auf geschlechtsspezifische Interessen. Das katholisch geprägte Jungengymnasium habe einen komplett anderen Ansatz als staatliche Schulen, meint Rüssel. Es sei keineswegs so, daß man andere Religionen ablehne oder ungetaufte Schüler nicht annehme. Rüssel belegt dies mit der erfolgreichen Arbeit des seit mehr als hundert Jahren bestehenden katholischen Mädchengymnasiums in Jülich. Dort sei die Integration soweit gediegen, daß sogar eine Muslima Klassensprecherin wurde.

Die in Potsdam geplante Schule könne ab der siebten Klasse gestartet werden, sagt der gebürtige Rheinländer: "Schulen in Freier Trägerschaft fangen immer klein an." Vor Bewerbungen von Lehrern könne man sich schon jetzt kaum retten. Da mit den ehemaligen Pferdeställen im Gardekarree, einem alten Kasernengelände aus der Kaiserzeit, bereits ein geeignetes Gebäude gefunden sei, könne der Unterricht noch in diesem Jahr aufgenommen werden. Langfristig plane man mit bis zu 360 Schülern. Die Mittel hierfür (rund 20 Millionen Euro) müssen jedoch durch private Spenden erbracht werden. Nun warten die Initiatoren nur noch auf die Reaktion des Bildungsministeriums.

Aber auch seitens der Stadtverwaltung gibt es plötzlich Probleme: Von der anfänglichen Euphorie des Oberbürgermeisters ist keine Spur, die Stadt hat erklärt, daß sie das gewünschte Grundstück nicht zur Verfügung stellen werde. Man prüfe die Möglichkeit, so Jakobs lakonisch, das Gebäude für eine staatliche Grundschule umzubauen. Diese Prüfung kann einige Jahre in Anspruch nehmen und spielt somit den Gegnern der Knabenschule in die Hände.

Unterstützung kommt lediglich aus der Brandenburger CDU. Steeven Bretz, Vorsitzender der Unionsfraktion im Stadtparlament, entschuldigte sich unlängst für seine Stadt, "in der ansonsten soviel von Toleranz die Rede ist". Und der Landtagsabgeordnete und Potsdamer CDU-Chef Wieland Niekisch setzte noch einen drauf und fordert die Stadt auf, sich "von der intoleranten Muffigkeit postsozialistischer Verwaltungsmentalität zu befreien".

Kontakt: Initiative Freie Schulen Brandenburg e. V., Telefon: 03 31/ 704 89 77. Informationen im Internet: www.initiativefsb.de 

Foto: Die Knabenschule könnte in die ehemaligen Ställe der Garde-Ulanen einziehen: "Jungen und Mädchen entwickeln sich unterschiedlich"


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