© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

Der Liebe ein Denkmal gesetzt
Eros und Engagement: Rolf Hochhuths Gedichte
Gregor Schuhen

Als Chronist unbequemer Wahrheiten ist der Schriftsteller Rolf Hochhuth bislang vor allem durch seine Theaterstücke im kulturellen Archiv fest verankert. Nun ist mit "Drei Schwestern Kafkas" erstmals ein Band erschienen, der eine Auswahl von hundert Gedichten aus einem halben Jahrhundert Schaffenszeit versammelt.

Viele der hier vertretenen Gedichte, so auch das vorangestellte Titelgedicht des Bandes, beschäftigen sich mit dem großen Thema, das auch im dramatischen Werk Hochhuths immer wieder im Zentrum steht: mit der vernichtenden Gesellschaftslogik der Nationalsozialisten. Gleichwohl offenbart eine Reihe von anderen Stücken eine Facette des Dichters, die den Liebhabern Hochhuthscher Dramatik neu sein dürfte. Das Drängen und Walten des Eros, das mitunter verstörend anmutende Regieren dionysischer Exzesse, Lobgesänge auf die Promiskuität - all das sind Themen und Motive, die man in den Theaterstücken vergeblich sucht, die jedoch in Hochhuths lyrischen Kompositionen ihren Ausdruck erhalten. Man gelangt zum Eindruck, ohne notwendigerweise auf das berühmte freudianische "Es" zu verweisen, daß Hochhuth mit seinen Gedichten ein Ventil gefunden hat, das ihm seine dramatischen Texte bislang versagt haben. Das gesellschaftskritische Engagement wirkt daher auch in Gedichten weitaus weniger an- und aufregend als in den Theaterstücken - man kennt die Themen bereits.

Anders die erotischen Gedichte. Um es gleich vorweg zu sagen: Man muß diese Texte als Ganzes lesen. Einzelgedichte wirken manchmal aufgrund ihres schlüpfrigen Vokabulars wie die Phantasien eines in die Jahre gekommenen Don Juan. Aber das gesamte Paket erotischer Dichtung besticht vor allem durch die kompromißlose Spannung von formaler Strenge und inhaltlicher Zügellosigkeit.

Aus dem sehr schönen Nachwort des Herausgebers Dietrich Simon erfahren wir, was nach der Lektüre der Gedichte nur allzu deutlich wurde, daß neben der Liebe zum Theater die Liebe zu Frauen das Zentrum in Hochhuths Leben sei. Dieser Liebe wird durch einen Großteil der hundert Gedichte ein unnachahmliches Denkmal gesetzt.

Rolf Hochhuth: "Drei Schwestern Kafkas. 100 Gedichte". Hrsg. von Dietrich Simon, Fischer Verlag 2006, gebunden, 182 Seiten, 18,90 Euro


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