© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

"Aber der Mensch ist nun einmal, wie er ist"
"Kampf gegen Rechts" II: Die Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert darüber, wie sich der Rechtsstaat gegen den Rechtsextremismus wehren kann
Fabian Schmidt-Ahmad

Was kann der Rechtsstaat gegen Rechtsextremismus tun? Diesem Thema widmete die Friedrich-Ebert-Stiftung in der vergangenen Woche in Berlin eine Tagung. Wie ein Schatten überlagerte die Veranstaltung die Frage nach einem Parteiverbot der NPD. Vehement forderte Ehrhart Körting, Berliner Senator für Inneres (SPD), ein erneutes Verbotsverfahren. Amüsiert zeigte er sich über die Bestrebungen des Verfassungsschutzes, entsprechendes Beweismaterial zusammenzutragen.

Ihm selber genüge "ein Blick ins Internet". Offensichtlich scheint Körting tatsächlich der Meinung zu sein, daß ein Justizminister nach "einem Blick ins Internet" die Verfassungswidrigkeit einer Partei feststellen darf. Diese höchst eigenwillige Interpretation des Grundgesetzes rechtfertigte Körting mit der "unerträglichen" Vorstellung, daß sonst möglicherweise eine Parteistiftung der NPD durch öffentliche Gelder unterstützt wird. Die Frage, warum überhaupt in Deutschland Parteistiftungen mit Steuermitteln finanziert werden, ließ Körting dabei offen.

Auch auf einer anderer Ebene war die juristische Verarbeitung von Emotionalität ein Anliegen. Zentrales Thema der Tagung war die mögliche Übertragung der US-Gesetzgebung von sogenannten "hate crimes" auf deutsche Verhältnisse. Diese Rechtsauffassung, die aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung stammte, sieht eine Strafverschärfung bei Taten vor, die nicht gegen das Opfer als solches, sondern als Repräsentanten einer Gruppe gerichtet sind.

Verurteilungen aus ideologischen Gründen

Die Schwierigkeit, die sich aus diesem Gesinnungsstrafrecht ergibt, wurde schon bei der Darlegung durch den Strafrechtler Felix Herzog von der Universität Bremen ersichtlich. So zeichnete dieser ein Profil rechtsextremistischer Gewalttaten. Wieso er aber diese Straftaten in der Reduktion des Opfers auf bestimmte Gruppenmerkmale als "neue Qualität" bezeichnete und damit die Einführung eines Gesinnungsstrafrechtes rechtfertigen möchte, war nicht nachvollziehbar. Schließlich wurden zu allen Zeiten aus ideologischen Gründen die schwersten Verbrechen begangen. Aber nicht zu allen Zeiten wurden diese Täter auch aus ideologischen Gründen verurteilt, beispielsweise nicht in der Bundesrepublik Deutschland - bis jetzt jedenfalls.

Einzig der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch, der in seiner Funktion als Berichterstatter im Zweiten Senat das NPD-Verbotsverfahren zur Entscheidung brachte, warnte eindringlich davor, sich die falschen Ziele zu setzen und "zu glauben, man könne alle Menschen zu einem guten Denken führen". Zwar empfinde er die Ansichten der NPD als verabscheuungswürdig, "aber der Mensch ist nun einmal, wie er ist". Statt einen "billigen, vordergründigen Kampf" zu führen, sollte es um eine politische Auseinandersetzung gehen.

Befürworter des Gesinnungsstrafrechts

Diese Forderung griff der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), auf. Aus seiner Sicht müsse man im Grundschulkanon weniger das Beherrschen von Rechnen, Schreiben und Lesen, sondern das "Erlernen demokratischer Verhaltensweisen" in den Vordergrund stellen. Dabei sollte Edathy - Jahrgang 1969 - noch aus eigener Erfahrung wissen, daß dieses bereits seit Jahrzehnten zum Lehrplan gehört. Ansonsten zeigte er sich als energischer Befürworter des Gesinnungsstrafrechts.

Eine politische Forderung, die von Vertretern der Justiz zurückgewiesen wurde. So legte der Brandenburgische Oberstaatsanwalt Rolf Grünebaum nicht nur dar, daß eine entsprechende Gesetzgebung langwierige Indizienverfahren über die "Gesinnung" eines Täters zur Folge hätte - die manchmal jahrelange Dauer von Prozessen wurde auf der Tagung als ein wesentliches Problem ausgemacht -, sondern auch inhaltlich mit dem deutschen Rechtssystem nicht vereinbar sei, welches eben kein Gesinnungsstrafrecht vorsieht. Den juristischen Notbehelf, indem auf den Paragraph 211 des Strafgesetzbuches verwiesen wird, der auf einen Mord "aus niedrigen Beweggründen" erkennen kann, betrachtete er skeptisch. Schließlich sei der sehr umstrittene Passus von den Nationalsozialisten eingeführt worden, da könne man schlecht "noch eins draufsatteln".

Doch in dieser Hinsicht zeigte Edathy, der an seiner Forderung festhielt, keinerlei Berührungsängste mit dem Rechtsextremismus.


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