© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Frisch gepresst

Große Freiheit. Ob es eine glückliche Entscheidung ist, die ersten Seiten einer Arbeit so stark mit Anmerkungen zu "unterkellern", daß der Haupttext fast verschwindet, darf bezweifelt werden. Auf jeden Fall zeugt sie von der mutigen Bereitschaft des Autors, auf "Lesefreundlichkeit" zu verzichten. Und sie macht dem Leser nichts vor. Denn auf den folgenden 650 Textseiten wird genausowenig Pardon gegeben wie zum Auftakt. Am Ende hat der Leser dann einen Parcours von 3.122 Anmerkungen bewältigt. Einen so ausufernden gelehrten Apparat benötigt der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, um die "Freiheit in der Republik" zu verteidigen (Dunker & Humblot, Berlin 2007, gebunden, 750 Seiten, 48 Euro). Gegen wen, wird indes nicht so recht deutlich. Gegen die eher schimärenhafte "Gefahr" des "staatlichen Leviathan", gegen "Bürokratie" und "Parteienoligarchie"? Auch die erdrückende Mehrheit seiner Kollegen, die den demokratischen Staat noch als "Herrschaft" legitimiert, wird vom Radikalliberalen Schachtschneider unter Dauerbeschuß genommen. "Herrschaftsfreiheit" hält er offenbar für möglich, nähert sich dabei sogar Habermas und beruft sich öfter auf Nico Sombart, der die Identifizierung von herrschaftsfreier Gesellschaft mit Chaos und Anarchie nur auf die für den "deutschen Mann" typische "Angst" vor "Frauen und Fluten" zurückführt.

Europa. Anläßlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge legt der Europaparlamentarier Andreas Mölzer eine äußerst kritische Bestand­aufnahme der "real existierenden Europäischen Union" vor. Jenseits von steigenden finanziellen Belastungen, Bürokratie, Regulierungswut, unverschämtem Konzern-Lobbyismus, Abbau von Demokratie und nationaler Souveränität und anderen Auswüchsen des "Brüsseler Irrwegs" sei eine enge europäische Zusammenarbeit dennoch unverzichtbar - doch dazu brauche es keinen Superstaat. Co-Autor Bernhard Tomaschitz beleuchtet kenntnisreich die historischen Hintergründe der Idee, Europa zu vereinen. Im letzten Teil des Buches finden sich dann Essays über Europas kulturhistorische Substanz - sie beantworten auch die Frage, warum die islamische Türkei nie Mitglied der EU sein könne (Europa - Traum und Alptraum. Vom Heiligen Reich zur Europäischen Union - Ein Kontinent geeint in seinen Gegensätzen, W3 Verlag, Wien 2007, gebunden, 371 Seiten, 19,90 Euro).


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