© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Die deutsche Ratspräsidentschaft setzt auf die Jugend
Mein Europa blog: Europa ist super!
(JF)

Europa ist super!" konstatiert Schauspieler und Bodybuilder Ralf Möller grinsend in die Kamera und läßt dabei den Daumen in die Höhe flitzen. Ein unbeschwertes und fröhliches Willkommen auf www.mein-eu-blog.de, dem Internet-Forum für Jugendliche aller Herren Länder. Das Auswärtige Amt hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zum Anlaß genommen, ein Forum zu inszenieren, auf dem sich die Jugend mit Freunden aus aller Welt über Europa austoben kann.

Es besteht aus selbstgedrehten Videos junger Leute, in denen die Frage danach gestellt wird, was eigentlich Europa ist oder sein kann.

Ja, was könnte das sein - "Europa"? Auf dem Forum ist es zum politischen Schlagwort verkommen, ursprünglich ist es der griechische Name für das Wort "Abendland" - eine Ableitung vom semitischen "ereb" (Abend). Für manche ist es ganz einfach der Boden, auf dem wir stehen. Liebhaber der Antike denken primär an die Tochter des Agenor, des phönizischen Königs von Tyre, für die Zeus sich in einen Stier verwandelte. Für Astronomen ist "Europa" nur ein Mond des Jupiter, für Cineasten ein Film von Lars von Trier. Das Europa, das hier präsentiert wird, scheint viel mehr zu sein als eine langweilige Verwaltung, die in Brüssel beheimatet ist, viel mehr als ein integrierter Wirtschaftsraum mit einem gemeinsamen Markt und gemeinsamer Währung, sondern vielmehr eine ganz große Party.

Den Beiträgen der Jugendlichen nach ist es irgend etwas Allgemeines, von dem man etwas zu erwarten hat. Victoria Klein (18) erwartet beispielsweise, daß sich Europa mehr um seine Immigranten kümmert, um "Klima, Energie und so" - und "daß es offen ist für Flüchtlinge", ergänzt Deike Uhlig (25) voll Hoffnung.

Europa als leeres Faß der großen Träume

In einem anderen Filmchen vernimmt man einen ohrwurmartiger Sprechgesang. Der Sänger textet, er wisse nicht, was aus Europa wird, aber er wisse dafür, daß sein Herz Europa gehört: Dort ist nämlich "soviel Kultur und Friede, soviel Gemeinschaft und Liebe" - Europa hat eigentlich ausschließlich Vorteile, so scheint es. Es ist "grenzenlos" und pures "Multikulti", so der Tenor des Beitrags "Wort zu Europa". Ein anderer junger Mann ist sich gewiß, daß er viele Vorteile mit seinem "komischen deutschen Paß" hat. Wo das Eigene komisch ist, ist die Auflösung im Allgemeinen um so willkommener?

Thore jedenfalls hält eh nix von Grenzen. Es wird ein jugendlicher Traum vom güldenen Wort von Frieden und Freiheit (einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten) ins Konzept Europa manövriert. Und irgendwie will einen der Gedanke nicht loslassen, daß die Jugendlichen genausogut über Erdbeereis auf Lebenszeit sprechen könnten wie einst Herbert Grönemeyer, der sich neuerdings ebenfalls mit politischen Ambitionen trägt.

Europa - eine Relativierung der Werte

Jeder kann hier seine individuellen Talente ausspielen. Europa kommt als leeres Faß auf den Präsentierteller, in das man alles Positive reinstecken kann, von dem man schon immer heimlich geträumt hat. Ein großes Wolkenkuckucksheim, obwohl ein Blick ins Europa-Parlament genügen würde, um zu sehen, wie unklar ist, was Europa eigentlich sein soll. Man begleitet die Jugendlichen praktisch visuell auf der Suche nach einer Identität in der globalen Welt. Herbert soll die Vorteile des Euro erklären: "Man muß nicht mehr wechseln", sagt er erleichtert, und "es gibt keine Grenzen mehr". - "Soll ich auch noch ein paar Nachteile erzählen?" fragt er lachend. Diejenige, die ihn interviewt, winkt ab: "Reicht, glaub ich, schon."

Ein junges Mädchen aus Bukarest reflektiert über den Beitritt ihres Heimatlandes Rumänien: "Meiner Meinung nach werden wir uns nicht mehr auf die nationale Ebene beziehen, sondern wir werden einem viel größeren (kontinentalen) Rahmen angehören - den Vereinigten Europäischen Staaten. Und genau dies wird die Quelle der Horizonterweiterung sein, die sich auch im Bewußtsein und in den Denkweisen verbreiten wird, jeder von uns wird die Möglichkeit haben, sowohl seinen eigenen traditionellen, nationalen Beitrag als auch das, was ihn durch seine geistigen Interessen mit anderen verbindet, klarer zu erkennen."

All die Schlagworte sind eigentlich in jedem Video gleich: Kulturenvielfalt, Freiheit, Grenzenlosigkeit. Ein Mädchen spricht noch von einer "Relativierung der Werte und Ideen", die sie jetzt hat - "und ich hoffe, wenigstens teilweise entdecken zu können, was ich darstelle". Europa als Spiegel des suchenden, global überforderten Selbst? Aber was könnte es sein? Ein Christenclub, der Frieden und Demokratie sichert, Arbeitsplätze schafft und die Umwelt schützt? Ein Hirngespinst? Ein leichteres Vaterland?

Für alle, die diese Fragen zu anstrengend und verkrampft finden, bleibt, Europa auf sinnlicher Ebene zu erleben: Am 24. März ist Europäische Clubnacht in Berlin, weil Europa seinen 50. feiert. Und am 25. März geht's auf "Berlins Feiermeile Nummer 1" - vor dem Brandenburger Tor - weiter mit der großen Party. Getreu dem Motto: Sind wir nicht alle ein bißchen Europa?


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