© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Gigantische Hoffnungen
Asien: Ein kritisches Buch über die wahren Zukunftspotentiale des größten Kontinents / Licht- und Schattenseiten im Osten
Michael Weis

Asien ist für viele Ökonomen und Politiker die Hoffnung des neuen Jahrtausends. Schließlich stellt es einen gigantischen Markt mit Milliarden potentieller Kunden dar und bietet überdies ein nahezu unerschöpflich erscheinendes Angebot billiger, hochmotivierter Arbeitskräfte. So sind unzählige Berichte und Bücher erschienen, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Thema Asien befassen und die immer den unaufhaltsamen Aufstieg des faszinierenden Halbkontinents beschwören.

Die Volksrepublik China ist auf dem Weg zur Weltmacht

Albrecht Rothacher, bis 2006 Direktor an der Asien-Europa Stiftung (Asef) in Singapur, will mit seinem neuesten Buch "Mythos Asien" neben den Licht- auch die Schattenseiten der Region beleuchten. In gut lesbaren Kurzberichten analysiert er (analog wie 2002 unter dem Titel "Im Wilden Osten. Hinter den Kulissen des Umbruchs in Osteuropa", Reinhold Krämer Verlag, Hamburg) die einzelnen Länder der Region.

Dabei versucht er zu ergründen, wie es um die asiatischen Staaten wirklich bestellt ist, welche Chancen und Probleme sie haben und ob sie auf Dauer eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung der EU und der USA darstellen könnten. Der Autor ist Japanologe und lebte jahrelang in Japan und Singapur. Als Diplomat in EU-Diensten konnte er zudem die politischen Gepflogenheiten der Asiaten aus erster Hand kennenlernen, was sich in einem sofort ersichtlichen Fachwissen niedergeschlagen hat.

Der Volksrepublik China, die an erster Stelle behandelt wird, widmet Rothacher dabei zu Recht besondere Aufmerksamkeit. Schließlich wird dieser nominell noch kommunistische Staat von nahezu allen großen Konzernen der Welt umschmeichelt und könnte Deutschland in naher Zukunft als Exportweltmeister ablösen. Auslöser dafür ist die Strategie der chinesischen Machthaber, die Ansiedlung westlicher Firmen zu unterstützen, um infolgedessen billig technologische und wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen zu können. So erhält China im Gegenzug für niedrige Produktionskosten das Know-how nahezu gratis vom Westen, ohne dabei eine Garantie für die Einhaltung der Verträge zu liefern.

Als Resultat davon ist China zwar laut Rothacher auf dem Weg zur Weltmacht. Das Reich der Mitte muß jedoch noch einige Hindernisse aus dem Weg räumen. Neben dem korrupten und ineffizienten politischen System hat China mit Armut, Hunger, Minderheitendiskriminierung - die der Autor im gesamten Buch sachlich, aber mit großem Mitgefühl und rücksichtloser Klarheit thematisiert -, Umweltzerstörung, Unternehmensüberschuldung und einer gnadenlosen Unterbewertung der Währung zu kämpfen, was vielen Investoren, aber besonders dem Staat früher oder später zum Verhängnis werden könnte.

Selbiges gilt für viele der anderen asiatischen Diktaturen wie Nordkorea, Vietnam, Laos und Kambodscha, deren Situation im Buch nicht weniger präzise und sachkundig analysiert wird. Ebenso werden mit großer Sorgfalt die Staaten Südostasiens wie Thailand und die Philippinen untersucht, wobei dem Leser die mannigfachen Probleme der gesamten Region verständlich vor Augen geführt werden - ohne freilich Rußland außer acht zu lassen. Indien findet leider nur am Rande Berücksichtigung.

Japans Probleme ähneln denen von Deutschland

Japan schließlich kommt genau wie China eine Sonderrolle zu, was neben der weltpolitischen Bedeutung des Inselstaates auch an der Passion des Autors liegen mag. So sticht das betreffende Kapitel - in dem als einzigem Fußnoten auftauchen - nochmals durch die sicherlich für niemanden unangenehme wissenschaftliche Tiefe der Analyse hervor. Dabei wird deutlich herausgestellt, daß Japan zwar nach wie vor eine bedeutende Wirtschaftsmacht ist, aber seine demographischen und anderen Probleme - die den deutschen durchaus ähneln - noch lange nicht gelöst hat.

Zum Abschluß seines Buches stellt Rothacher gemeinsame Probleme und Hoffnungen der asiatischen und westlichen Staaten gekonnt gegenüber und scheut sich nicht - ohne Rücksicht auf politische Korrektheit -, brisante Themen wie den demographischen Wandel, die Pisa-Studie oder die europäische und deutsche Asien-Politik scharfsinnig zu analysieren und deren Fehler anzuprangern. So tritt bei aller Sachlichkeit der Analysen innerhalb des Buches die liberal-konservative Einstellung Rothachers für den aufmerksamen Leser genauso zutage wie seine offensichtliche Abneigung gegen die derzeitige bundesdeutsche und europäische Außenpolitik.

Alles in allem ist "Mythos Asien?" also ein durchweg zu empfehlendes Buch, bei dem es gelungen ist, eine wissenschaftliche Analyse mit guter Lesbarkeit und einem Hauch Ironie zu vereinen. Wie Titel und Autor versprechen, werden sowohl Licht- als auch Schattenseiten Asiens unverblümt beleuchtet. Somit kann das Buch sowohl Asien-Kennern als auch all jenen wärmstens empfohlen werden, die mehr über diesen faszinierenden Kontinent lernen möchten bzw. ihr gesamtpolitisches Wissen um einen beachtlichen Teil zu erweitern suchen. Durch den übersichtlichen Aufbau, die auf längere Sicht angelegten Folgerungen und die enthaltene Länderkunde ist es ferner ein gutes Nachschlagewerk, das viele Bücherregale sinnvoll ergänzen könnte.

Albrecht Rothacher: Mythos Asien? Licht- und Schattenseiten einer Region im Aufbruch, Olzog Verlag, München 2007, broschiert, 400 Seiten, 29,90 Euro.


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