© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Das Totengedenken weicht Opernaufführungen
Geschichtspolitik: Der Deutsche Marinebund treibt die zeitgeistkonforme Umwidmung des Marine-Ehrenmals in Laboe weiter voran
Hans-Joachim von Leesen

Die 2004 begonnene zeitgeistgerechte "Modernisierung" und Umdeutung des Marinehrenmals in Laboe in Schleswig-Holstein geht in die nächste Runde (JF 22/04). In der vergangenen Woche hatte die Hermann-Ehlers-Akademie, die norddeutsche Dependance der Konrad-Adenauer-Stiftung, in Kiel zu einer öffentlichen Vortragsveranstaltung eingeladen, bei der der neue Beratende Historiker des Deutschen Marinebundes, Jann Markus Witt, über die weitere Umgestaltung des Ehrenmals berichtete. Vor einem zahlreichen Publikum - in Kiel mit seiner Marine-Tradition kein Wunder - ließ er erkennen, daß die Umwandlung des einmal als zentrales nationales Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Angehörigen der Kaiserlichen Marine errichteten Bauwerks, später auch den im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten der Kriegsmarine gewidmet, keineswegs zu Ende sei.

In seinem Vortrag machte er keinen Hehl daraus, daß seine Sympathie nicht der Kaiserlichen Marine, sondern viel eher den Meuterern von 1918 gilt. Auch zeigte er kein Verständnis dafür, daß in der Weimarer Republik die Deutschen von ganz links bis ganz rechts nicht viel vom Versailler Vertrag hielten, ja, daß sie ihn ein "Diktat" nannten, was er offenbar nach Ansicht des jungen Marinehistorikers nicht war. Daß die Parteien gar seine Revision anstrebten, war für ihn gleichbedeutend mit ihrer Sehnsucht nach Rache. Kritik zog auch der damalige Deutsche Marinebund auf sich, der 1925 den Bau initiiert und das Geld dafür gesammelt hatte, weil er die Worte, die der Ehrenpräsident des Bundes Deutscher Marinevereine, Admiral Reinhard Scheer, bei der Grundsteinlegung formuliert hatte: "Für deutsche Seemanns Ehr', für Deutschlands schwimmende Wehr, Für beider Wiederkehr" an prominenter Stelle im Ehrenmal angebracht hatte. Daß gar nach siebenjähriger Bauzeit bei der Einweihung Adolf Hitler anwesend war, wenn auch ohne eine Rede zu halten, war für den jungen Historiker der endgültige Beweis für den kriegerischen Geist der damaligen Deutschen.

Der Jugend die dunkle Seite der Geschichte zeigen

Sein Vorgänger als Beratender Historiker beim Deutschen Marinebund, der dezidiert linke Sozialdemokrat Fregattenkapitän a. D. Dieter Hartwig, der überraschend aus dem Amt geschieden war, hatte 2004 die Umwidmung betrieben. Nun steht im Zentrum der neu gestalteten Eingangshalle "Gedenkstätte für die auf See Gebliebenen aller Nationen. Mahnmal für eine friedliche Seefahrt auf freien Meeren". Nur noch an der Seite, deutlich niedriger eingestuft, liest man die Worte: "Dem Gedenken aller toten deutschen Seefahrer beider Weltkriege und ihrer toten Gegner". Dieser Satz wird dem nach dem Krieg amtierenden Präsidenten des Deutschen Marinebundes, dem ehemaligen U-Boot-Kommandanten des Zweiten Weltkrieges Otto Kretschmer zugeschrieben, der ihn aber so nie gesagt hat.

Damit war es nicht genug. Jetzt geht es um weitere Umdeutungen. Bisher konnte der Besucher in der Historischen Halle die Geschichte der Marine seit 1848 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nachvollziehen, die mit Schiffsmodellen, Karten, Texttafeln, Schaubildern dargestellt wird. Nun soll statt dessen gezeigt werden, wie die Weltkriege entstanden sind und was zu den deutschen Niederlagen führte. Daß das alles hochgradig politisch korrekt geplant ist, wurde deutlich, als ein im Saal anwesender Historikerkollege anriet, vor allem die Verbrechen herauszustellen, die die Deutschen beispielsweise im Boxeraufstand (1900 in China) und in Deutsch-Südwestafrika begangen hätten und an denen die Marine beteiligt war. Dem stimmte Witt sofort zu, denn es sei besonders wichtig, vor allem die Jugend mit den dunklen Seiten der deutschen Geschichte bekannt zu machen. Die Schiffsmodelle sollen bleiben, denn sie zögen die Jugendlichen besonders an, die man dann volkspädagogisch korrekt erziehen kann.

Aus dem Publikum wurde dem Referenten vorgeworfen, so werde ein für die gefallenen deutschen Soldaten gedachtes Ehrenmal mißbraucht; man solle ehrlich sein und das Bauwerk zu einem Marinemuseum machen. Der Gefallenen könne dann an würdigerem Ort gedacht werden. Zuhörer fragten, ob es Umwidmungen von Ehrenmalen für gefallene Soldaten auch in anderen Nationen gebe, oder ob nicht vielmehr Großbritannien, Frankreich, Rußland und die Vereinigten Staaten darauf bestünden, ihre Gefallenen zu ehren, ohne mit den Denkmalen geschichtspolitische Propaganda zu machen. Witt gab zu, daß das Vorhaben des Deutschen Marinebundes einmalig sei, und rechtfertigte es mit der Behauptung, wir Deutschen seien eben "weiter als die anderen". Es sei Aufgabe der Deutschen, andere Völker zu überzeugen, daß auch sie sich von der Verehrung ihrer Gefallenen lösen und die dunklen Seiten ihrer Vergangenheit in den Vordergrund stellen sollten.

Die Unruhe im Saal erreichte ihren Höhepunkt, als der Präsident des Marinebundes, Karl Heid, bestätigte, daß die Organisation einer Agentur das Recht verkauft hatte, auf dem Gelände des Marineehrenmals die Verdi-Oper "Nabucco" aufzuführen. Den Kritikern wurde entgegengehalten, wenn man das Ehrenmal nicht vermarkte, dann habe man eines Tages eine "schöne Ruine", denn die Bundesregierung trage keinen Cent zur Erhaltung bei.

Foto: Marine-Ehrenmal Laboe, Museums-U-Boot 995: Die Bundesregierung zahlt keinen Cent


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